Weder Boris Becker noch Marian Vajda begleiten Novak Djokovic in diesem Jahr nach Paris-Bercy. Nichts ungewöhnliches, sagt der Serbe, der von Andy Murray vom Weltranglisten-Thron verdrängt wird, wenn dieser das Turnier gewinnt und Djokovic den Final verpasst. Ungewöhnlich ist seine Entourage aber dennoch. Denn zu dieser gehört seit einigen Monaten Pepe Imaz. Der Spanier, einst Tennisspieler und die Nummer 167 der Weltrangliste, betreibt eine Akademie in Marbella, Spanien. Im Fokus steht dort nicht das Spiel, sondern die «persönliche Entwicklung», wie Imaz es umschreibt.
Was das bedeutet, zeigt ein Video, das Imaz auf seine Homepage gestellt hat. In der Mitte einer Reihe sitzt ein Mann, braun gebrannt, weisses, aufgeknöpftes Hemd. Er spricht Spanisch, lange und ruhig. Nach einem einstündigen Monolog reicht er das Mikrofon weiter an seinen Nebenmann. Dieser trägt ein blaues Hemd, Shorts, hat dunkles Haar. Er spricht davon, dass die Gruppe auf dem Podium zuvor meditiert habe. Man habe sich gewünscht, Harmonie untereinander und mit den Seelen im Saal herzustellen. Alle Menschen seien gleich. Sie suchten nach Liebe und Glückseligkeit. Dieser Mann ist Novak Djokovic.
Seit der Erfüllung seines Lebenstraums, dem Sieg bei den French Open, ist der Serbe nicht mehr der Gleiche. Er scheitert früh in Wimbledon, verpasst bei den US Open die Titelverteidigung. «Um ehrlich zu sein, freue ich mich darauf, die Frische und den Seelenfrieden wiederzufinden, um Sport und das Sein auf dem Tennisplatz zu geniessen. Das verlor ich nach Paris», gestand er im September. Auch, weil private Probleme die perfekt modellierte Welt des Serben zu einem porösen Konstrukt gemacht haben. Djokovic, das gibt er selber zu, ist ein Suchender geworden. «Natürlich bin ich nicht dieselbe Person wie vor einem Jahr. Ich bin dadurch inspiriert, die beste Version von mir selbst zu werden», sagt er.
Die Art und Weise, wie Djokovic sich dabei gibt, hat etwas Sektiererisches, inspiriert von ihm: Pepe Imaz. In Kontakt kommt er mit dem 42-Jährigen, weil er Bruder Marko vor zwei Jahren durch eine schwere Krise geholfen haben soll. Djokovic spricht von göttlichen Verbindungen, auf der Bühne sitzen auch sein Bruder Marko und die Slowakin Daniela Hantuchova. Ihm gehe es darum, seine Denkweise neu zu strukturieren, um seine Karriere von jetzt an fortzusetzen. Titel und Siege hätten nicht mehr den gleichen Stellenwert. Erstaunliche Wort vom Mann, der davon besessen schien, aus dem Schatten von Roger Federer und Rafael Nadal zu treten, um selber der beste der Geschichte zu werden.
Seine Welt hat nicht mehr viel mit jener gemein, auf deren Fundament er seine Karriere aufgebaut hat. Das kriegsversehrte Belgrad hat er eingetauscht gegen das steuergünstige Monte Carlo. Zwangsläufig führt das zu einem Identitätsverlust. Kürzlich besuchte Djokovic seine Heimat. Ging in das Skigebiet Kopaonik an der Grenze zum Kosovo. Er besuchte die Plätze, auf denen er 1993 mit dem Tennisspielen begann. Und die von Splitterbomben durchzogene Ballwand, an die er stundenlang Bälle schlug. Lange machte er Pause, kümmerte sich um seine Familie. Begleitet von einer Kamera, die eine Dokumentation über ihn dreht. Sie zeichnet das Bild eines Mannes auf der Suche nach sich selbst. Nun mit der Hilfe von Imaz.