Sie starteten das Jahr als Nummer 17 der Welt. In Wimbledon sind Sie wieder unter den Top-4 gesetzt. Selber überrascht?
Anfang Saison nahm ich mir die Top acht für Wimbledon als Ziel. Diesen Druck konnte ich mir schon in Miami nehmen. Aber ob als Nummer vier oder fünf in Wimbledon – das ändert ehrlich gesagt nichts für mich. Es war mir vor Halle nicht einmal bewusst. Vielleicht ist Rafael Nadal auf der anderen Seite, dann muss ich einen riesigen Broken weniger schlagen. Aber das macht mir eigentlich nichts aus, auch das wäre machbar. Ist das in der zweiten Woche eines Grand Slam wirklich wichtig? Ich denke nicht unbedingt. Wenn du das Turnier gewinnen willst, musst du eh die besten schlagen.
Sie haben die Sandsaion sausen lassen. Haben Sie tatsächlich soviel auf Rasen trainiert?
Ja. Ich habe noch nie so viel auf Rasen trainiert wie dieses Jahr! Schon während der ersten Woche in Roland Garros. Dann hatte ich nach dem Turnier in Stuttgart noch viel Zeit. Ich fühle mich also besser denn je vorbereitet. Und in Halle kamen nun auch noch einige Matches dazu.
Wie wichtig ist Halle hinsichtlich Wimbledon?
Bis zum Turnier von Halle hatte ich noch nicht richtig gut gespielt – deshalb waren die Matches dort sicher ein guter Test für Wimbledon. Jetzt weiss ich, wo ich stehe. Ich hatte nach Stuttgart das Gefühl, ich müsse wieder kleinere Brötchen backen und musste ich mich konzentrieren, dass ich das nicht nochmal früh verliere.
Wäre das für Wimbledon ein Problem gewesen?
Nein nicht direkt, die Vorbereitungswoche wäre dann halt ein bisschen anders gewesen. Ab Mitte letzter Woche war ich zum ersten Mal bei den Matches nicht mehr gestresst. Es zeigt mir, dass ich den Rhythmus gefunden habe und ich spürte wie das Selbstvertrauen immer grösser wurde – Punkt für Punkt, Satz für Satz. .
Machen Sie nun vor Wimbledon ein paar Tage Pause?
Ich kann es mir jetzt erlauben, nur wenig zu trainieren, weil das Selbstvertrauen da ist. Die Woche ist bereits durchgeplant – mit Flügen, Sponsoren, Medien und Trainingspartnern. Das einzige Unsichere ist, wie müde ich bin und wie viel Pause ich brauche. Aber weil ich schon so oft in meiner Karriere auf Rasen gespielt habe kann ich bis zum Turnierbeginn auch ein wenig reduzieren, damit ich sicher bis in die zweite Woche von Wimbledon frisch bin.
Sie fühlen sich also auf Kurs.
Das führt alles über die Gesundheit und die Fitness. Das steht noch über den Siegen oder einer Niederlage. Als Kei Nishikori in Halle aufgeben musste, ging mir das wieder kurz durch den Kopf. Man muss immer so gut aufpassen kurz vor einem grossen Highlight im Jahr. Mir ist zum Glück nie irgendwas Schlimmes passiert in der Vorbereitung.
Kribbelt es schon im Bauch vor Ihrem Saison-Höhepunkt?
Ich freue mich wie immer riesig. Vor allem aber freu ich mich, dass ich gesund bin. Das schätze ich in so einem Moment extrem, denn letztes Jahr war das ganz anders. Das war einfach ein Seich: Ich wusste, etwas stimmt mit dem Knie nicht – ich spürte es in Stuttgart, ich spürte es in Halle und in Wimbledon. Ich wusste, so kann ich wahrscheinlich keines dieser Turniere gewinnen.
Dennoch waren Sie letztes Jahr nahe am Wimbledon-Titel dran...
Ja, sehr nah, stimmt eigentlich. Insofern war das letzte eigentlich ein unglaubliches Rasenjahr. Aber dieses Jahr bin ich viel zufriedener. Glücklich, weil ich wieder mit Freude Tennis spiele und nicht an mein Knie denken muss.
Denken Sie an die Meilensteine, die Sie in Wimbledon wieder erreichen können?
Welche?
Es ist ihr 70. Grand Slam – ein Rekord. Und in Wimbledon können Sie ihren 100. Sieg feiern – Sie stehen im Moment bei 97.
Sehen Sie, das wusste ich gar nicht. Sobald ich nach London reise und in Wimbledon ankomme, fängt das alles an. Dann macht es «tack» und meine Uhr ist auf Wimbledon eingestellt. Dann ist es wichtig, genug zu schlafen und alles richtig zu machen.
Was würde Ihnen ein achter Rekordsieg, ein 19. Grand-Slam-Titel in Wimbledon bedeuten?
Sehr viel natürlich. Wenn ich das nochmal erleben dürfte, wäre es vor allem sehr, sehr schön für meine Familie, mein Team, meine Fans, mein Land. Das alles würde für mich mehr bedeuten, als mein eigentlicher Rekord. Der wäre ein schöner Nebeneffekt – aber eigentlich gewinne ich lieber für Leute als für die Geschichtsbücher.
Wie gross ist der Einfluss Ihres Trainers Ivan Ljubicic?
Mir gefällt seine Art, wie er ist, während der Spiele, auf dem Platz, im Training. Und auch ausserhalb ist er ein guter Freund und hat seinen Beitrag geleistet. Aber er hatte es zu Beginn nicht leicht, um sich zu entfalten. Es war ein harter Start für uns alle, nachdem ich mich letztes Jahr schon nach einem Monat verletzt hatte. Danach war ich in der Reha, bald ging es mir besser, aber nicht gut genug, um wirklich über Taktik reden zu können. Wir redeten viel in der Gruppe und ich glaube, das hat uns alle noch mehr zusammengeschweisst. Von dem her hat es etwas Schönes in dieser Entwicklung.
Sie werden im August 36 – spüren Sie die Zuneigung der Zuschauer noch deutlicher als sonst?
Die Leute freuen sich tatsächlich, wenn ich an einen Ort mehrmals wieder zurückkehre. Das ist schön und keineswegs selbstverständlich – in anderen Sportarten wirst du manchmal ausgepfiffen, obwohl du gut bist. Aber vor allem bekomme ich so viel Zuneigung, weil die Zuschauer nicht wissen, ob sie mich jemals wieder spielen sehen. Weil ja irgendwann Schluss ist.Ja. Aber ich bin froh, dass mein Körper und Kopf mich immer noch lassen. Und eben weil ich heute viel weniger spiele, mir mehr Pausen und Ferien gönne, kann ich am Ende meiner Karriere wohl auch noch länger anhängen. Das zeigt auch Tommy Haas sehr gut. Er war viele Jahre verletzt und spielt nun noch mit 39, weil er Pausen hatte. Und ihm dadurch der ganze Zirkus nicht verleidet ist.