Tennis-Domina Serena Williams zu bezwingen, kann einen ganz schön aus der Bahn werfen. Nach dem bislang grössten Sieg ihrer Karriere am Samstag war Bencic (WTA 20) denn auch völlig aus dem Häuschen. Sie weinte vor Freude über ihre Heldinnen-Tat, vor Erleichterung nach dem Dreisatz-Krimi, vor Dankbarkeit gegenüber ihrer Familie.
Von Feiern war natürlich keine Rede. Aber auch so wäre es kein Wunder gewesen, hätte sie ihre Energie damit verpufft, für den gestrigen Final ihre Reserven anzapfen müssen und nicht mehr die gleiche Spannung aufbauen können.
Aber nichts dergleichen. Erneut ist die 18-jährige Ostschweizerin parat. Und sie bleibt cool – trotz einer Break-Schlacht, die sich vom ersten bis zum dritten Satz durchzieht. Und trotz Weltnummer 3 Halep, die sich sichtlich körperlich angeschlagen durchs Match schleppt, was für eine Gegnerin mental sehr schwierig ist.
Schon im ersten Satz lässt sich die Rumänin bei den Seitenwechseln mit Eispackungen den Nacken kühlen, später am Oberschenkel behandeln sowie Blutdruck und Puls messen. Belinda ihrerseits nutzt die Seitenwechsel um sich im Gespräch mit Papa und Coach Bencic abzuregen und aufzupushen, wartet ab und gerät ob der vielen Zeit zum Nachdenken – und trotz Verlust des zweiten Satzes nicht in Panik. Nach zweieinhalb Stunden gewinnt sie 7:6, 6:7, 3:0 w.o.!
Ein grosser Moment, nur der Jubel fällt nach der Aufgabe Haleps nicht gebührend aus. Die Tränen fliessen bei der Verliererin, die Siegerin ist diesmal gefasst. «Es tut mir so leid für sie», sagt die faire Belinda, bevor sie strahlt: «Aber ein Sieg ist ein Sieg. Für mich ein unglaublicher nach diesem nervenaufreibenden Spiel!»
Sie hat ihren zweiten Titel in der Tasche.
Aber im Vergleich zu Eastbourne ist der Sieg in Toronto eine ganz andere Nummer – der «Rogers Cup» ist ein 2,37-Millionen-Dollar-Turnier der zweitgrössten Kategorie hinter den Grand Slams.
Sie hat ihn sich redlich verdient. Nach einem abgewehrten Matchball gegen Sabine Lisicki (De), der Eliminierung der kanadischen Lokalheldin Eugenie Bouchard, Caroline Wozniacki (WTA 5), Ana Ivanovic (6), Weltnummer 1 Serena und zuletzt Halep wurde ihr der Triumph alles andere als geschenkt.
«Sie ist eine Kämpferin, gibt niemals auf und kann eine ganz Grosse werden», prophezeit Williams der Schweizerin, die nun als neue Nummer 12 der Welt sogar Timea Bacsinzsky (WTA 13) wieder überholt, eine glorreiche Zukunft. Und Wozniacki lobt: «Sie ist anders als die anderen. Sie hat nicht die grösste Power, aber sie spielt mit Köpfchen – ich denke, das ist ihre grösste Stärke.»
Das erinnert stark an Martina Hingis, die gestern vor Ort mitfieberte. Und an deren Mutter Melanie Molitor, bei der auch Belinda lernt und der sie in der Siegesrede dankt. Zum Schluss ihres ersten Interviews als zweifache Titelträgerin sagt sie: «Heute werde ich sicherlich feiern.»