Sie haben sich öffentlich sehr zurückgehalten in den letzten Wochen. Warum?
Am Anfang wollte ich noch keine Interviews geben. Die Leute mussten die Corona-Zeit erst einmal so richtig wahrnehmen. Ich fand es nicht passend, über Sport zu reden, der in solch einer weltweiten Krise hinten ansteht. Tennis stand in dieser schlimmen Zeit nicht mehr im Vordergrund.
Sind um Sie herum alle gesund?
Ja, meine Eltern und mein Bruder sind alle gesund, das ist das Wichtigste. Ich bin das erste Mal für längere Zeit immer zuhause, das ist natürlich etwas komisch. Aber wir versuchen, uns den Bedingungen anzupassen und das Beste daraus zu machen. Natürlich vermisse ich die Turniere sehr. Aber jetzt komme ich mal dazu, anderes zu machen, was auch noch schön ist.
Was machen Sie denn so? Und wo sind Sie?
Ich kam mit einem der letzten Flüge aus Amerika zurück – da war ich wirklich froh! Eigentlich wollten wir nach Indian Wells längere Zeit in den USA bleiben und dort trainieren. Dann haben wir uns aber über Nacht umentschieden. Meine Eltern sind zurück in die Schweiz, ich mit meinem Freund in die Slowakei geflogen. Ich entschied, dass ich mit Martin (Hromkovic, die Red.) nach Bratislava gehe – sonst wären wir zu lange weg voneinander gewesen. Ausserdem ist er ja mein Fitness-Trainer. Es ist wichtig, dass ich mit ihm an der Kondition arbeite, vor allem jetzt, wo keine Turniere sind. Würde ich in der Pause nichts machen, würde mir später bestimmt alles mehr wehtun.
Waren die Absagen der Grossanlässe seit Indian Wells ein Schock für Sie?
Zunächst kam alles überraschend. Man wartete auf Miami, aber es gab viele Gerüchte. Seitdem Gewissheit herrschte, wars zwar traurig, aber es kam nichts mehr unerwartet. Ich rechnete damit, dass Olympia oder Wimbledon abgesagt wurde.
Denken Sie manchmal an Ihren Aufenthalt in Wuhan zurück, wo sich Corona zuerst verbreitet hat?
So richtig kam mir das erst letztens in den Sinn! Im Januar war ich auch noch in Shenzhen … Aber damals redete man noch nicht wirklich darüber. Erst seit Indian Wells war ich mir der Gefahr bewusst. Ich überlegte, ob ich mich mal unwohl fühlte. Aber das war nicht der Fall.
Spielen Sie jetzt auch wieder Tennis?
Seit zwei, drei Wochen dürfen wir hier draussen spielen. Ich trainiere drei, viermal pro Woche eine Stunde am Tag. Zum Glück war das Wetter in letzter Zeit so gut, Indoor dürfen wir hier noch nicht auf die Plätze.
Wie streng ist die Slowakei mit den Corona-Massnahmen?
Sehr streng, was sich als gut erwiesen hat. Die Infizierten-Zahlen sind hier sehr niedrig geblieben, die Zahl der Toten auch. Zum Glück haben sie das weitgehende Ausgangsverbot auch an Ostern durchgezogen, in diesen Ländern sind Familien-Feste sehr wichtig, das war ein grosses Risiko. Hier herrscht Maskenpflicht, wenn man rausgeht. Erst jetzt überlegen sie, wann grosse Geschäfte und Schulen wieder öffnen. Die Grenzen sind nach wie vor geschlossen – wer heimkommen will, muss erst in eine staatliche Quarantäne.
Was bedeutet das?
Da muss man zwei Wochen in einem geschlossenen Internat oder anderen öffentlichen Institutionen bleiben. Wir hatten gerade noch Glück, durften nach unserer Ankunft die Quarantäne daheim machen.
Haben Sie Ihre Grosseltern in der Slowakei besucht?
Nein, die Eltern meiner Mutter wohnen eine Stunde von Bratislava entfernt und es ist besser, wenn ich sie nicht besuche. Aber wenn die Lockerungen es zulassen, werde ich sie wiedersehen.
Was nehmen Sie mit aus dieser Corona-Zeit?
Ich versuche, vieles positiv zu sehen, auch wenn es fürs Tennis alles andere als gut ist. Aber wenigstens habe ich jetzt mal Zeit, meine Schränke aufzuräumen, geniesse es, nicht mehr aus dem Koffer zu leben, mehr Zeit für andere Dinge zu haben. Für die ganze Welt ist diese Verlangsamung generell nicht schlecht – unser Lebensstil war so schnell! Zu viele Flugzeuge, Autos, Staus, Luftverschmutzung, vor allem in China … Jetzt wirkt der Himmel blauer, die Luft hat sich gesäubert. Vielleicht hat sich die Welt das irgendwie so eingerichtet, einen Warnschuss abgegeben. Natürlich habe ich leicht reden – ich bin hier privilegiert, mit einem Garten, wo ich mich fit halten kann. Ich würde wohl anders reden, wenn ich mich die ganze Zeit über in einer kleinen Wohnung aufhalten müsste.
Haben Sie neue Hobbies entdeckt?
Ja, ich habe intensiv angefangen, zu kochen und backen. Früher musste ich für jedes Gericht meine Mami anrufen und fragen, wie man das macht. Jetzt kann ich es wirklich perfekt, darauf bin ich mega stolz! Besonders Rindfleisch-Gerichte mit Gemüse oder Salat und Pasta kann ich gut. Noch lieber backe ich. Mein Parade-Dessert sind Brownies, Strudel und slowakische Gebäcke habe ich auch schon gemacht – Backen ist hier ja sehr angesagt. Wenn Martins Grossmami uns was Süsses bringt, schmeckts immer fantastisch. Die Küche hier ist super!
Womit vertreiben Sie sich noch die Zeit?
Von meiner Tante habe ich Bilder zum Ausmalen bekommen, so eine Art Malen nach Zahlen mit Acrylfarben, das macht mir derzeit mega Spass. Ein Werk liegt hier neben mir, aber das zeige ich erst, wenns fertig ist! Netflix-Serien gehören natürlich auch zur Freizeit – ich habe Martin «Narcos» mal zeigen wollen. Sonst schauen wir beide gerne romantische Komödien.
Wären Sie körperlich wieder bereit für Spitzentennis?
Ich spüre, dass die Pause meinem Körper guttut. Alle Wehwehli sind ausgeheilt und lustigerweise werde ich ohne Spitzensport-Belastung immer beweglicher. Als ich erstmals wieder spielte, war das Niveau noch nicht so super, aber ich bin schnell wieder reingekommen. Weil noch lange Zeit keine Turniere stattfinden, bin ich eigentlich sehr entspannt. Ich möchte meine Grundform erhalten und die Muskeln weiter an Sport gewöhnen. Wichtig ist auch, dass die Hornhaut an den Händen bleibt. Zum Glück habe ich die Schwielen immer noch (lacht).
Fehlt Ihnen im Tennis die Perspektive?
Ja und nein. Es gibt schon auch Tage, an denen ich nicht motiviert bin und lieber den ganzen Tag auf dem Sofa liegen würde. Es ist nicht leicht im Ungewissen, kein Datum, kein zeitliches Ziel zu haben.
Was meinen Sie, wann es wieder losgeht?
Das ist sehr schwierig zu sagen. Läuft es nach Plan, würden die ersten Turniere im August in Amerika starten. Aber dort ist die Situation ja alles andere als ideal. Im Juli will die WTA weitere Entscheidungen verkünden. Aber wenn ich ehrlich bin, rechne ich nicht mit einer baldigen Tour. Höchstens ein paar Turniere Ende Jahr. Das Hauptproblem im Tennis ist, dass die Spieler aus allen Ländern kommen und die Einreisebestimmungen überall anders sind. Zum Teil sind die Grenzen nicht offen, oder man müsste in Quarantäne, dann verpasst man das nächste Turnier. Logistisch wird es sehr problematisch. Die Turniere sind auch nicht erpicht darauf, ohne Publikum zu veranstalten. Im Moment ist alles noch Spekulation. Wir wissen ja auch nicht, wie sich das Virus entwickeln wird.
Für schlechter klassierte Spieler ist die Situation auch finanziell fatal. Sind Sie froh, Ihr Preisgeld im letzten Jahr verdoppelt zu haben?
Ich bin natürlich in einer Okay-Situation. Ich denke, für einige Spieler ist es ein riesiges Problem – allgemein, für viele andere auch! Ich unterstütze deshalb auch, meine Familie und andere Verwandte, weil die nun auch viel weniger verdienen.
In der Pause spielten Sie noch das virtuelle Madrid-Turnier. Wie war das?
Ich fand es eine super Idee! Vor allem, weil ein Teil des stattlichen Preisgelds in einen «Player Relief»-Fond ging. Die andere Hälfte des Geldes musste von uns Spielern an individuelle Organisationen gespendet werden. Auch die Idee, Tennis auf diese Weise wieder in die Köpfe der Leute zu bringen, fand ich gut. Und für uns war es schön, wieder Kontakt mit anderen zu haben. Wir haben einen Spielerinnen-Chat gegründet und eine Woche vorher virtuell trainiert. Wir hatten allesamt panische Angst, dass wir mega schlecht sein würden! Dann machte es mega Spass, alles war ganz realistisch und professionell mit Auslosung und Tableau etc.
Sie haben sogar einen Walk-on-Court inszeniert …
Das war lustig – es war die Idee meines Freundes.
Sind Sie jetzt Playstation-Profi?
Überhaupt nicht! Martin spielt ab und zu FIFA, aber ich habe vorher noch nie Playstation gespielt – und die Kiste auch direkt danach wieder aus dem Fenster geworfen (lacht). Sich ständig auf den Fernseher zu konzentrieren, die vielen Knöpfe zu drücken ist ganz schön anstrengend, nicht mein Ding. Und ich bin auch kein Naturtalent.
Andere haben sich in der Pause mit der Tennis-Zukunft beschäftigt. Roger Federer schlug vor, ATP und WTA sollten sich vereinen. Was sagen Sie dazu?
Ich stimme Roger zu. Es wäre nur logisch, die Leute sind verwirrt mit den beiden Organisationen. Es wäre gut, wenn Frauen und Männer die gleichen und gleich dotierte Turniere spielen würden. Natürlich gibt es viele Punkte, die noch genau besprochen werden müssten. Aber es wäre eine super Sache.
Viele befürchten, dass die ATP bei einer Fusion mehr Macht hätte.
Momentan wohl schon, denn sie haben mit Nadal, Djokovic und Federer noch Superstar-Spieler. Bei uns Frauen ist das anders, Serena Williams dominiert nicht mehr so. Aber das ändert sich auch wieder. Die Leute schauen gerne Frauentennis und wären ATP und WTA zusammen, würden sie beides auf einmal sehen. Ich denke, das würden viele schätzen.
Zumindest hängt Federer nun noch ein Jahr an und ein Olympia-Mixed mit Ihnen steht 2021 in Tokio in Aussicht …
Hoffen wirs! (lacht) Sollte alles nach Plan laufen, wäre ich mega froh darüber.
Ein anderes Thema ist derzeit die Impf-Frage. Djokovic wäre dagegen – und Sie?
Auch darüber habe ich schon nachgedacht, kann die Frage aber noch nicht abschliessend beantworten. Wir kennen die Impfung noch nicht, wissen nichts über Nebenwirkungen und andere Fakten. Aber sollte sie in Ordnung sein, würde ich sie wohl machen, wenn es die Tennis-Tour erfordert.
Kommen Sie mit dem ersten Flieger wieder zurück in die Schweiz, wenn die Grenzen offen sind?
Ich würde gerne meine Eltern und meinen Hund, der nicht mehr von meinem Mami zu trennen ist, wiedersehen. Aber ich müsste erst sicher sein, ob ich auch wieder zurück in die Slowakei reisen oder mein Freund mitreisen könnte. Im Sommer plane ich sicher, Interclub und andere nationale Turniere in der Schweiz zu spielen. Und ich käme wahrscheinlich mit dem Auto – auf Flughäfen bin ich momentan noch nicht so heiss …