Belinda Bencic, haben Sie sich beim Flug aus Taipeh die Business-Klasse gegönnt?
(lacht) Nein, als ich die Buchung machte, stand ich noch nicht in den Top-100, ich hatte mir das also noch nicht verdient. Aber der Flug war auch so okay.
Dank zweier Turniersiege stehen Sie jetzt wieder unter den Top-100. Haben Sie sich schon irgendwie belohnt?
In Taiwan kam ich zu gar nichts ausser Tennis spielen. Aber mit meiner Mama und meiner Freundin Nathalie, die mich hier in Zürich abholen, können wir ja jetzt direkt in die Stadt fahren...
Ihr Fazit nach dem super Comeback?
Es lief sicher besser als erwartet, besonders der Sieg in St. Petersburg war unglaublich, weil es gleich beim ersten Turnier nach dem Comeback geschah! Genau solche Erfolge braucht es, um sich wieder zurückzukämpfen. Ich ging es ohne Druck, ganz relaxt an und konnte mich immer mehr steigern. Auf dem Platz fühlte sich anfangs alles etwas fremd an, man verliert etwas die Erfahrung zum Antizipieren, gut Bewegen.
Sind Sie schon wieder bei 100 Prozent Ihres Könnens?
Hauptsache ich bin besser als die Gegnerinnen und kann mich Schritt für Schritt hoch kämpfen. Ich weiss nicht genau, was meine 100 Prozent sind. Auch, weil ich eine andere Spielerin, eine andere Person bin.
Wie meinen Sie das?
Ich bin tiefer klassiert als vorher. Es ist ein grosser Unterschied, ob Du als Underdog oder als Top-10-Favoritin auf dem Platz stehst. Es ist ja klar, dass die Erwartungen von aussen und an mich selbst dann grösser sind. Nach der Handgelenk-Verletzung wusste ich nicht, was kommt. Ich war nur schon happy, dass ich ohne Schmerzen eine Backhand spielen konnte. Zum Glück schmerzte es seit der Operation gar nie, ich brauchte nicht einmal ein Tape. Das war am wichtigsten. Es half mir auch, bei Fehlern nicht mehr so hässig zu werden.
Hätten Sie das Handgelenk besser schon früher operieren sollen?
Ich dachte schon darüber nach, versuchte es aber zunächst mit Physio und anderen Methoden. Als Tennisspieler ist eine Operation immer die letzte Möglichkeit. Man muss wirklich vorsichtig sein mit solchen Entscheidungen. Siehe Del Potro, bei dem es vier OPs brauchte, bis es gut kam.
Wie heiss waren Sie auf das Comeback?
Nach der OP spielte ich wegen dem Gips sechs bis acht Wochen gar nicht. Dann drei Monate nur Vorhand, später Rückhand nur slice – wenigstens fühle ich mich in diesem Schlag jetzt sicherer. Aber bald fühlte ich mich wie ein Tiger im Käfig. Ich bin halt schon ein Wettkampftyp, ohne Punkte kann ich nicht... Die Zwangspause war mühsam, ich bin zuhause fast durchgedreht, konnte nichts machen, ausser Puzzles... Zum Abschalten bin ich mal alleine in die Ferien nach Monaco gereist.
Und Sie haben sich einen Hund zugelegt...
Einen total süssen Golden Retriever. Aber er ist weiss, deshalb hat ihn mein Bruder Brian Snowy getauft. Ich suchte zunächst im Tierheim. Wenn er nur für mich gewesen wäre, hätte ich dort einen genommen. Aber da es der erste Hund für meine Familie ist, sollte es schon ein Welpe sein, deshalb ging ich dann zu einem Züchter.
In der Pause haben Sie auch Abstand von der Öffentlichkeit genommen.
Ich fand, es gab in meiner Verletzungszeit nicht viel zu sagen und ich brauchte Ruhe. Dehalb wollte ich auch mein Comeback nicht an die grosse Glocke hängen. Ist man obenauf, sind alle voll des Lobes. Läuft es weniger gut, wussten es alle schon im Voraus...
Haben Sie aus der Zwangspause etwas gelernt?
Ja, dass ich künftig cleverer planen muss und nicht zu viel spiele, damit ich gesund bleibe. Als es anfangs so gut lief bei mir, war ich halt sehr motiviert, wollte immer mehr spielen. Dann kamen die Verletzungen, ich kam aber irgendwie aus dem Kreis der Turnierplanung nicht raus. Ab jetzt werde ich auch mal ein Turnier auslassen, wenn ich zuvor ein gutes gespielt habe. Auch in Australien spiele ich nur den Hopman Cup vor Melbourne. Man muss nicht immer den Punkten hinterher hecheln. Roger Federer macht das vor.
Als Top-100-Spielerin schaffen Sie es ins Hauptfeld der Australian Open.
Das ist ein Bonus. Ich wäre auch mit der Quali zufrieden gewesen. Das Ranking interessiert mich im Moment überhaupt nicht. Aber klar, wieder herunter fallen möchte ich auch nicht. Ich habe ja kaum Punkte zu verteidigen, das würde ich 2018 schon gerne ausnützen.
Hat es sich bereits ausgezahlt, dass Sie Ihre Trainingsbasis jetzt in der Slowakei haben?
Da möchte ich etwas richtig stellen: Ich habe der Schweiz nicht den Rücken zugekehrt. Ich kann mich in der super Akademie dort einfach gut vorbereiten und am Wochenende meine Grosseltern besuchen, was auch schön ist. Aber ich war auch viel hier, oder trainierte in Florida. Mein Trainer Iain Hughes, mit dem ich seit August arbeite, reist mir überall hin nach. Er ist ein ruhiger Typ, der mir taktisch gut helfen kann, der fürs Tennis lebt. Es passt – meine Resultate sprechen für sich.
Die Arbeit mit Melanie Molitor in Wollerau ist definitiv abgeschlossen?
Da war ich in letzter Zeit nicht mehr, ja.
Und ihr Vater Ivan Bencic?
Den habe ich zu meinem Bruder verlegt (lacht). Er begleitet jetzt mehrheitlich Brian an die ITF-Turniere, aber ist natürlich auch gelegentlich für mich noch da.
Stehen Sie in Kontakt mit dem Fed-Cup-Team?
Wir pflegen immer noch unseren Gruppen-Chat, dem auch Martina Hingis treu geblieben ist! Aber sie wird uns im Doppel fehlen. Ihr Rücktritt war schon traurig und emotional für mich. Aber sie hat das gewissenhaft gemacht. Es ist richtig, dass sie an der Spitze ist, wenn sie geht. So kennen wir sie. Wir sehen uns Donnerstag an Martinas Abschiedsparty. Auch Timea (Bacsinszky) trainiert wieder, sie sollte fürs Australian Open parat sein.
Wie geht es in den nächsten Wochen weiter?
Jetzt nehme ich eine Woche frei, dann trainiere ist und fliege am 6. Dezember nach Dubai, wo ich im Rahmen der Vorbereitung ein 100000er Turnier spiele. Dort bleibe ich dann bis Australien.
Also keine Weihnachten zuhause mit der Familie?
Wir werden in Dubai sein. Mami und Papi machen dann hoffentlich bei mir Ferien. Leider kann der Hund nicht mit, er ist mittlerweile zu gross fürs Fliegen.
Sie machen es also wie Federer...
(lacht) Ja, wir trainieren dann jeden Tag zusammen... Nein, ich freue mich wahnsinnig auf den Hopman Cup mit ihm – unglaublich, was er wieder geleistet hat! Es ist schade, keine Weihnachten zu haben – aber Roger ist es das Wert! Und in Perth feiert sich Neujahr auch nicht schlecht. Es ist ein super Event. Alle nehmen es lockerer als sonst, aber geschenkt wird nichts. Und es kommen viele Fans – vorallem wenn Roger trainiert!