Wie so oft bei einst glücklichen Beziehungen ging es im Zwist zwischen Roger Federer und Roger Brennwald um verletzte Eitelkeiten und Geld. 2014 trat der Superstar ohne Vertrag, ohne Antrittsgage und fast ohne Kommunikation mit dem Turnierboss bei den Swiss Indoors an. Geplatzt war das Traum-Szenario, dass der Mr. Tennis der Schweiz eines Tages den grössten Sportevent der Schweiz übernehmen würde.
In den letzten Jahren erweichten sich die Fronten. Dieses Jahr äussern sich Roger & Roger sogar wieder mit viel Respekt und Lob übereinander. Eine Übernahme des Turniers ist zwar zu diesem Zeitpunkt für beide kein Thema. Aber langfristig lassen sie zumindest alles offen – das lässt hoffen. «Sag niemals nie», sagte Federer dazu vor einer Woche im grossen SonntagsBlick-Interview. Im Moment denke er aber nicht darüber nach, er wollte Herrn Brennwald, der ein grandioses Turnier auf die Beine stelle, weder früher noch heute ins Handwerk pfuschen.
Unsichere Tennis-Zukunft
Das lässt sich dieser so oder so nicht. Zur Zukunft seines Turniers, das 2020 sein 50-jähriges Bestehen feiert, sagt der 72-jährige Basler nur: «Ich muss Ihre Erwartungen dämpfen. Wir leben in einer Zeit, in der man im Business wie auch im Tennis nur auf ein bis zwei Jahre hinausblicken kann.» Bis dahin gäbe es vielleicht einen neuen Tennis-Kalender, hätte sich die Hierarchie zwischen ITF und ATP möglicherweise verschoben, habe Gerard Piqué mit der Fifa das Welttennis übernommen, spiele der FC Basel nur noch in der Regionalliga. Und schliesslich spricht er es endlich aus: «Vielleicht hat auch Roger Federer dann aufgehört zu spielen.»
Der 37-Jährige kann sich durchaus vorstellen, seine letzte Show hier, wo alles für ihn begann, zu feiern. «Darüber würde ich mich sehr freuen, das ist Ehrensache», so Brennwald. «Unsere Verbindung ist besser denn je, wir könnten ein baslerisches Denkmal setzen.» Ihm sei bewusst geworden: Die St. Jakobshalle ist Basel, Swiss Indoors ist Basel, Brennwald ist Basel und Federer ist Basel. «Ein schönes Kleeblatt.»
Das ohne den Maestro nur noch dreiblättrig wäre ... «Was soll ich mir darüber schon heute Sorgen machen? Das Tennis von morgen steht grundsätzlich in den Sternen. Welcher Stern fällt vom Himmel – das ist die Frage.» Im Jetzt lasse er sich von seinem guten Gespür treiben. «Es gibt den Glauben ans Höhere in meinem Leben. Von da aus werde ich bis jetzt sehr gut begleitet. Es gibt keine Zufälle, es ist meine Bestimmung, dass ich mein ganzes Leben lang am richtigen Ort lande.»
Führt ihn die höhere Kraft auch langfristig zu Roger Federer? Brennwald lacht. «Das Zeichen für diese Wegweisung habe ich noch nicht bekommen.» Ernster fügt er an: «Mir geht es wohl wie ihm. Auch ich schliesse gar nichts aus. Auch nicht eine künftige Einbindung Federers. Aber es ist nicht der richtige Zeitpunkt, über mögliche Konstellationen zu diskutieren.»
Er verweist auf seine grosse, intakte Familie, die ebenfalls ein geeigneter Erbe sein könnte. Aber im Moment liebe er seinen Familienbetrieb auch mit mittlerweile gigantischen Ausmassen. Er fühle sich dabei so gut wie noch nie und erinnert lachend daran, dass seine direkten Vorfahren bis zu hundert Jahre alt wurden.
Wäre Roger Federer nicht der geeignetste Garant, das Brennwald-Baby auch künftig in Sicherheit zu wiegen? Der Boss bleibt stur: «Ich fühle mich nicht unter Druck und wüsste auch nicht, warum ich das sein sollte. Ich habe eine Riesen-Verantwortung für einen Apparat mit 600 Mitarbeitern, der grundsätzlich in der Lage ist, das Ganze weiterzuführen.»
Schon vor dreissig Jahren habe man ihm das Turnier abkaufen wollen. Schon da war der Zeitpunkt noch nicht gekommen. «Diese Institution ist eine Herzenssache. So werde ich in meinem Sinne alle weiteren Entscheidungen treffen – damit habe ich gute Erfahrungen gemacht. Ich möchte meine Gedanken fertig denken. Das ist mein Film – und der Film ist nicht fertig.»
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Das meint BLICK: Das Glück greifen
Nach den Zerwürfnissen und Missverständnissen soll nun das Glück nach Basel kommen. Ein Kommentar von BLICK-Chefredaktor Sport Felix Bingesser.
Es ist wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Der Visionär Roger Brennwald baut ein Tennisturnier auf, das zum Schmuckstück im Schweizer Sport wird. Dann wächst vor seiner Haustüre der weltbeste Tennisspieler auf.
Der junge Roger wird Ballbub, seine Mutter arbeitet im Turniersekretariat. Später wird Federer Seriensieger, verleiht dem Turnier ungeheuren Glanz, sorgt für sportliche Highlights und Emotionen. Er wird zum besten Botschafter der Schweiz, von Basel, vom Basler Tennisturnier.
Jetzt neigt sich seine Karriere dem Ende zu. Federer zeigt seit längerer Zeit Interesse, bei der Zukunft dieses Turniers eine tragende Rolle zu spielen. Und den Anlass mit seiner Aura und seinem Beziehungsnetz zur ganz grossen Erfolgsstory zu machen.
Aber eben: Es ist alles zu schön, um wahr zu sein. Es gab Zerwürfnisse und Irritationen, Eitelkeiten, aber auch Missverständnisse.
Drängen lassen wird sich Brennwald in dieser Frage nicht. Wenigstens ist die Eiszeit vorbei und die Entspannung im komplizierten Verhältnis zwischen Brennwald und Federer spürbar. Man möchte dem Turnierdirektor zurufen: «Greifen Sie das Glück!» Denn Glück ist ja das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.
Klar ist: Es gibt nichts Grösseres als die herausragende Karriere und die ungeheure Persönlichkeit von Federer. Er kann weit über sein Karriereende hinaus das Gesicht und der Magnet des Turniers sein.