Der Corona-Lockdown hat bei Severin Lüthi die Haare spriessen lassen. Nachdem sich der Davis-Cup-Captain und Coach von Roger Federer Anfang März beim Davis Cup in Peru noch glattrasiert zeigte, tritt er nun mit Vollbart und Wuschelfrisur auf.
Sein Interviewpartner Christopher Kas erschrickt regelrecht zu Beginn des Gesprächs bei «Tennisnet». Er habe extra noch die Haare gemacht, scherzt Lüthi im Instagram-Chat. «Jetzt sitzt alles!»
Im Gespräch geht es dann um vielerlei Themen. Natürlich auch um Rogers aktuelle Situation. «Es geht ihm gut. Wir haben gerade erst telefoniert. Im Moment haben wir viel Kontakt, das ist sonst nicht immer der Fall», verrät Lüthi.
Nach der Knie-Operation ist Federer auf dem Weg der Besserung. «Er ist noch ein bisschen im Aufbau. Er hat die Reha gemacht und dann mit Konditionstraining angefangen. Die ersten 6 Wochen waren perfekt. Dann hats zwei Wochen gegeben, wo es nicht so ideal gelaufen ist, wo es ein bisschen langsamer vorwärts ging», gesteht Lüthi. «Aber jetzt alles wieder auf gutem Weg. Für ihn ist das Positive, dass es nicht so bald losgeht.»
So lief das mit der Cry-Baby-Affäre
Lüthi spricht aber weniger über die Aktualität, viel mehr schwelgt er in Erinnerungen. Vor allem über den Sieg im Davis Cup 2014 und das dabei wegweisende Doppel im Final gegen Frankreich. «Ich fand Stan unglaublich im Doppel. Der hat Energie gehabt, da kriege ich heute och Gänsehaut», erinnert sich Lüthi. «Ich habe gemerkt, wie Roger auch darauf anspricht. Die haben sich so gut ergänzt.»
Dabei sah es eine Woche zuvor noch ganz anders aus. Im emotionalen Halbfinal der ATP Finals zwischen Federer und Wawrinka kam es erst zur Cry-Baby-Affäre. Rogers Frau Mirka stellte Stan von der Tribüne aus als Heulsuse hin. Dann verletzte sich Federer am Rücken, musste nach dem Sieg für den Final Forfait geben.
«Es gab intern noch ein bisschen Probleme», sagt Lüthi nun. «Es ist unglaublich, wie die zwei das gelöst haben. Am Sonntag im Zug nach Lille konnte Stan schon wieder darüber lachen.» Wawrinka meinte damals, dass sie sich innerhalb von 10 Minuten so Riesenprobleme kreiert hätten. Lüthi: «Es ist aber unglaublich, wie sie reagiert haben, mit welcher Grösse. Beide haben dem Ziel alles untergeordnet.»
Die Geschichte ist dann bekannt. Roger Federer gewann den entscheidenden Match gegen Richard Gasquet und die Schweiz holte das bisher einzige Mal in der Geschichte den Davis Cup.
Neue Generation profitiert von Trainings mit Federer
Dass dies jemals wieder gelingen wird, ist eher unwahrscheinlich. Auch wenn derzeit wieder eine neue, vielversprechende Tennis-Generation in den Startlöchern steht. Lüthi erzählt auch über die Schweizer Tennis-Teenies Dominic Stricker, Leandro Riedi, Jeffrey von der Schulenburg und Jérôme Kym.
«Die Jungs sind talentiert. Aber es ist noch ein langer Weg», warnt er. «Nur mit Talent reicht es nicht. Der Schritt vom Top-Junior zum Top-Hundert-Spieler ist schwieriger als früher.»
Die Youngsters durften auch schon im Training gegen Federer antreten. Ein unbezahlbares Erlebnis. «Es ist wichtig, dass sie die richtigen Schlüsse aus Trainings mit Roger ziehen. Ich hoffe, sie können was aus solchen Trainings rausnehmen», so Lüthi.
Doch auch für Federer seien die Trainings mit den Jungen ein Gewinn. «Für Roger ist es interessant und auch Inspiration mit den jungen Spielern. So bleibst du jung, wenn du ab und zu mit Jungen trainierst. Die sind frech und voller Energie. Er erinnert sich auch an früher und sich selber.»