BLICK: Severin Lüthi, wer ist für Sie heute der Favorit?
Severin Lüthi: Wenn ich es wüsste, würde ich es aus Respekt zu beiden nicht sagen. Aber ich weiss es wirklich nicht. Ich lag schon oft falsch, Prophezeiungen sind schwierig, jeder Match ist anders. Sicher ist: Es wird eine enge Partie. Es gibt Argumente für beide – und wenn du involviert bist, ist es noch einmal schwieriger, die Lage einzuschätzen.
Drücken Sie als Freund jemandem die Daumen?
In erster Linie freue ich mich für beide. Einer von ihnen kommt in den Final, allein das ist genial! Aber ich mache jetzt mit Stan nicht mehr so viel wie früher – er hat jetzt ein eigenes, sehr gutes Team. Ich bin von Roger angestellt – deshalb ist meine Position klar, ich bin für ihn. Nach seiner Verletzungsgeschichte umso mehr. Er hat es uns in der Vorbereitungszeit extrem einfach gemacht – wie motiviert und professionell er trainiert hat! Es war ein schwieriger Weg. Umso mehr würde es ihm jeder gönnen. Das ist nichts gegen Stan. Aber bei allem, was Roger dem Tennis schon gegeben hat, ist es einfach die Realität.
Hat er Sie mit seinem Super-Comeback überrascht?
Roger hat mich schon so oft überrascht, dass ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe. Ich erwarte die Überraschungen aber keineswegs. Weil ich allerdings weiss, zu welchen Wahnsinnsleistungen er fähig ist, rechne ich mit ihnen. Dieses Turnier ist für ihn jetzt schon ein Riesen-Erfolg. Wie auch für Stan. Es ist einmal mehr unglaublich, was die beiden für das Schweizer Tennis leisten! Ich hoffe, die Leute können das richtig einschätzen.
Wie sollen sie es einschätzen?
Ich wiederhole mich, aber früher war es nur schon eine Riesen-Geschichte, als Marc Rosset einmal in Paris im Halbfinal stand. Aber man gewöhnt sich eben an alles, auch an die Erfolge im Schweizer Tennis. Wir sollten wirklich den Moment geniessen. Denn du weisst nicht, wann und ob wir das in der Schweiz je wieder erleben werden. Wenn, dann wird das wohl erst ist 250 000 Jahren passieren.
Hat sich die Einstellung zu Roger nach seiner Verletzung nicht etwas verändert?
Hoffentlich, es wäre schade, wenn nicht. Als ich letzten Herbst ohne Roger in Basel, Paris-Bercy und kurz in London war, richteten andere Spieler und Coaches Grüsse aus, vermissten ihn. Und Rogers Pause hat auch den Fans vor Augen geführt, dass seine Karriere endlich ist.
War er deshalb so nervös bei seinem ersten Comeback-Match?
Bei Roger war das ganz anders als bei anderen Spielern. Der Hype im Vorfeld war enorm! Dann wollte er es besonders gut machen. Das ist ihm ja gelungen.
Geht sich Team Federer und Team Wawrinka bis zum Match aus dem Weg?
Nein, so läuft es nicht bei uns. Die beiden können gut an- und abschalten zwischen Freundschaft und Rivalität.