Mensch, Stan!
Egal, ob es nun Wawrinkas letzter Auftritt auf Schweizer Boden war oder nicht. Der 39-jährige Tennis-Veteran kann mit breiter Brust aus Basel nach Hause fahren. Zwar bedeutet das 6:7, 5:7 gegen den 17 Jahre jüngeren Ami Ben Shelton das bittere Out im Achtelfinal der Swiss Indoors.
Doch Wawrinka zeigt gegen die Weltnummer 23 teilweise grandioses Tennis, ist im Prinzip mindestens ebenbürtig mit Shelton. Bei einzelnen Schlägen erinnert er gar an seine ganz grossen Glanzzeiten. Aber dass der dreifache Grandslam-Sieger eben doch nicht mehr konstant auf hohem Niveau durchziehen kann, rächt sich brutal.
Die verflixten Breakbälle
Warum Wawrinka sein vielleicht bestes Match seit Monaten verliert? Weil er keinen seiner fünf Breakbälle nutzt. Da hilft es wenig, dass der Schweizer Lokalheld dem Amerikaner erst nach rund eineinhalb Stunden, am Ende des zweiten Satzes beim Stand von 5:5, die ersten zwei Breakchancen zugestehen muss. Denn Shelton nutzt gleich den ersten davon aus und schnappt sich wenige Minuten danach eiskalt das Viertelfinal-Ticket.
Ganz bitter für Stan. Denn auch den ersten Satz verliert er wegen einer Blitz-Schwächephase im Tiebreak. Während er zuvor 40 Minuten auf Augenhöhe powert, stellt Shelton im Tiebreak blitzschnell auf 0:5, die Vorentscheidung im ersten Satz. Das Basler Publikum reibt sich die Augen. Hat da aber noch Hoffnung, dass Wawrinka im vielleicht letzten Basler Auftritt seiner Karriere das Spiel nochmals wendet. Die Hoffnung lebt bis zum allerersten Breakball von Shelton. Danach gehts schnell. So bitter.
Entscheidung gefallen: Karriere geht 2025 weiter
Doch trotz der Niederlage: Auch die Partie gegen Shelton hilft Wawrinka bei seiner Zukunftsentscheidung. Nach dem Spiel in Basel erklärt er so klar wie bisher nie, dass er 2025 weiterspielen will und wird. Ausschlaggebend waren die beiden Wochen in Stockholm und nun in der Heimat, in denen der Oldie nach monatelanger Durststrecke plötzlich wieder Spiele gewinnen konnte. Wawrinka sagt: «Ich habe gezeigt, dass ich physisch und spielerisch noch immer auf gutem Niveau spielen kann. Deshalb bin ich überzeugt, dass ich auch nächstes Jahr weiterhin gutes Tennis zeigen werde. Es macht mir weiterhin viel Spass.»
Die Siege in den letzten zwei Wochen verhelfen ihm eben auch zum wichtigen Sprung in der Weltrangliste. Ende September war es nur noch Rang 236, jetzt sind wieder die Top-150 in Reichweite. Das ist enorm wichtig, um 2025 bei den renommierten Turnieren überhaupt dabei sein zu dürfen. Vielleicht sogar wieder mal ohne Wildcard.
Ob Stan dann die Saison durchzieht und in einem Jahr tatsächlich nochmals in Basel aufschlägt, bleibt aber offen. Aber in der Vorbereitung aufs neue Jahr wird er jedenfalls fix und einmal mehr mit Athletik-Trainerlegende Pierre Paganini schuften. Wawrinkas Lächeln verrät, dass er sich vor lauter ungebrochener Lust auf Tennis sogar auf die Schinderei im Winter freut.