Erfolge – Note 4,5
Ein Jahr mit 4 Titeln – wie schon in der Vorsaison. Weil uns Roger Federer in vielen Jahren so verwöhnte, sind es verhältnismässig wenig. Im Vergleich mit seinen Top-Ten-Kollegen ist er aber immer noch gut dabei: Nur Novak Djokovic und Dominic Thiem haben mit je 5 Titeln mehr auf dem Konto. Ausser dem Masters-1000-Titel in Miami fehlen Roger allerdings die grossen Titel. Kein Grand Slam, auch bei den ATP-Finals geht er leer aus – ein Mann seines Kalibers will eindeutig mehr. Dafür darf er bei allen 3 ATP-500-Turniersiegen spezielle Jubiläen feiern: In Dubai holt Federer seinen 100. Titel, in Halle und beim geliebten Heimturnier in Basel macht er alle Zehne voll.
Effizienz – Note 4
Federers Ausbeute wäre wesentlich grösser, hätte er seine vielen erarbeiteten Chancen gepackt. Verpasste Gelegenheiten ziehen sich durch alle vier Jahreszeiten. Es beginnt beim Australian Open, wo er gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas nicht einen von 12 Breakbällen verwerten kann und verliert. Findet seinen Höhepunkt im Final von Wimbledon, wo er auf dem Weg zur dramatischen Fünfsatz-Niederlage zwei Matchbälle bei eigenem Aufschlag – zwei Championship-Punkte zum 9. Wimbledonsieg! – nicht nutzt. Diese Enttäuschung kann nicht einmal die Halbfinal-Pleite an den ATP-Finals toppen, mit der Roger das Jahr der mangelnden Effizienz gegen Tsitsipas abrundet: mit 11 von 12 verpassten Breakbällen.
Konstanz – Note 4,5
Sein Ranking kann 2019 als konstant betrachtet werden. Federer begann die Saison als Weltnummer 3 und beendet sie als solche. Hinter seinen Langzeitrivalen Rafael Nadal und Novak Djokovic klassiert, halten die drei Tennis-Musketiere noch dem Drängen der neuen, jungen Generation stand. Rogers Bilanz gegen Top-10-Gegner ist mit 7 Siegen und 7 Niederlagen ausgewogen – das Pendel zwischen Genialität und Versagen schlägt aber häufig zu stark aus. Dies zeigt sich besonders in der zweiten Saisonhälfte: Einer brillanten Laver-Cup-Woche folgen durchzogene Leistungen in Shanghai, die bestechende Form von Basel scheint zu Beginn des Saisonfinales in London verflogen. Dann plötzlich die Machtdemonstration über Djokovic – das gute Gefühl kann Roger aber nicht bis ins Tsitsipas-Duell konservieren.
Fitness – Note 5,5
Obwohl Federer mit 63 Matches (53:10) etwas mehr spielt als im Vorjahr (50:10), kommt der 38-Jährige unverletzt durch die Saison. Das ist angesichts seines Alters erstaunlich und spricht allem voran für seinen Arbeits-Fleiss und seine Motivation. Die ist sogar so hoch, dass er erstmals seit 2016 auch wieder Mumm für die Sandsaison verspürt. Nachdem er sich in Madrid und Rom wieder an die rote Asche herangetastet hat, begeistert er in Roland Garros, wo er erst im Halbfinal Sandkönig Rafael Nadal unterliegt. Seine gute körperliche Verfassung hat Roger auch seinem professionellen Umfeld zu verdanken. Zu dem gehören die klugen Trainerberater Severin Lüthi und Ivan Ljubicic, Fitness-Coach Pierre Paganini, Physio Daniel Troxler und andere medizinische Berater.
Leidenschaft – Note 6
Roger Federers Spielfreude und Leidenschaft fürs Tennis werden grösser, je näher das unvermeidliche Karriere-Ende rückt. Mit dem Laver Cup, der dieses Jahr in Genf immense Begeisterung beim Schweizer Publikum auslöste, teilt er die Freude am Sport mit seinen Fans. Weil ihm die Anerkennung seiner Bewunderer einerseits wichtig ist, er andererseits aber auch gerne Menschen glücklich macht, plant er diese Woche eine Showkampf-Tour mit Alexander Zverev durch Südamerika und Ende Jahr noch eine Exhibition in China. Direkt aus London fliegt Roger nach Chile und geniesst die Entdeckungsreise durch Länder, in denen er noch nie aufgetreten ist.
Wirtschaft – Note 5,5
Mit knapp 8 Millionen Franken Jahrespreisgeld liegt Federer 2019 deutlich hinter Nadal (rund 12 Mio.) und Djokovic (rund 11 Mio.). Das Rekord-Gesamtvermögen des weltweiten Werbeträgers (rund 400 Mio.) wächst hingegen dank lebenslanger Ausrüsterverträge und vergoldeter Sponsoren-Deals stetig an. Dazu kommen lukrative Erwerbe mit seiner von Manager Tony Godsick geführten Agentur «Team 8», die auch den Laver Cup durchführt. Einige seiner vielen Millionen investiert er nun in ein neues Eigenheim am Zürichsee für sich, seine Frau Mirka sowie seine vier Kinder Myla, Charlene (10), Leo und Lenny (5). 40 bis 50 Millionen Franken soll das 16'000 Quadratmeter grosse Grundstück in Rapperswil kosten. Geplant sind eine Überbauung mit mehreren Gebäuden, darunter Schul- und Sport-Räume sowie 20 Bäder.
Betragen – Note 5
In Sachen Freundlichkeit macht Gentleman Federer niemand was vor. Er hat nach wie vor keine Superstar-Allüren, wirkt bodenständig, behandelt jeden anständig und seine Gegner mit Respekt. Mit der Absage des neu gestalteten Davis-Cups und später auch des neuen Team-Events Anfang Jahr in Australien macht er sich allerdings nicht bei allen Tennis-Veranstaltern und -Funktionären beliebt. Weil er zunächst vorgab, sich auf den ATP Cup mit der Schweiz in Sydney zu freuen, büsst er Glaubwürdigkeit ein. Roger gibt die Absage Stan Wawrinkas als Grund an. Ausserdem den familiären Entscheid mit seiner Frau Mirka, die vier Kinder sollten weniger reisen. Zumal neben dem Benefiz-Abstecher nach Südafrika zum sechsten «Match for Africa» im Februar auch der Olympia-Trip im Sommer nach Tokio geplant ist.