Frau Milanese, Sie arbeiten seit 1999 in der SRF-Sportabteilung. Was hat sich seitdem bezüglich Kritik verändert?
Daniela Milanese: Sehr vieles. Als ich Anfang der Nuller-Jahre anfing zu moderieren, bekam ich noch handgeschriebene Briefe. Heute läuft das alles über Social Media, und dort ist die Hemmschwelle leider viel tiefer.
Welches Feedback erhalten Sie von den Fernseh-Konsumenten?
Entweder ein sehr positives, oder es geht direkt unter die Gürtellinie. Eine normal formulierte und differenzierte Kritik gibt es leider selten. Zudem ist bei uns Frauen das Äusserliche oft das Hauptthema.
Was bekommen Sie zu hören?
Da das Äussere bei uns Frauen stärker bewertet wird, müssen wir nicht nur fachlich, sondern in vielen zusätzlichen Bereichen überzeugen. Das stört mich sehr.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Vor einer Sendung mache ich mir jeweils viele Gedanken darüber, wie ich etwas formulieren möchte. Wenn dann die einzige Rückmeldung die ist, dass mein Lippenstift zu grell gewesen sei, gibt mir das zu denken. Oder warum darf ein Moderator ein Bäuchlein haben, und nichts passiert? Und wenn das bei mir der Fall ist, wird sofort gefragt, ob ich wieder schwanger sei? Solche Situationen empfinde ich als grenzüberschreitend.
Was wünschen Sie sich?
Ich möchte wie die Männer an meinen journalistischen Fähigkeiten gemessen werden. Mit anderen Worten: Ich möchte wie ein Mann behandelt werden und will als Frau keinen Vorteil, aber auch keinen Nachteil haben. Die Zuschauer dürfen mich sehr wohl kritisieren, aber nicht meine Weiblichkeit.
Wird in zehn Jahren eine Frau ein Männerfussballspiel live auf SRF kommentieren?
Die entscheidende Frage ist: Wo steht unsere Gesellschaft in zehn Jahren? Ich befürchte, dass sie dann noch nicht an dem Punkt sein wird, an dem sie das akzeptiert. Solange es noch auffällt, dass eine Frau kommentiert, sind wir noch lange nicht dort angekommen.
Gibt es wenigstens positive, kleine Fortschritte?
Ja, die gibt es. Frauen als Sportmoderatorinnen haben sich mittlerweile etabliert. Dieser Punkt ist zum Glück 2021 erreicht.