Es ist eine besondere Pointe des Zufalls. Bei seiner Rückkehr in den Ski-Zirkus läuft Marc Gisin (31) in Lake Louise an der Rezeption des weltberühmten Château-Hotel als erstes Alexander Aamodt Kilde (27) über den Weg. Am 18. Dezember 2018 fährt der Norweger bei der Abfahrt in Val Gardena seinen dritten Weltcupsieg ein. An jenem Tag, an dem Marc Gisin schwer verunfallt.
Eine ausgelassene Siegesfeier gibt es damals nicht, weil Gisin nach seinem fürchterlichen Abflug beim ersten Kamelbuckel im Spital in Bozen mit einem Schädel-Hirn-Trauma, Becken- und Rippenbrüchen ums Überleben kämpft. Deshalb freut sich Kilde rund elf Monate nach seinem süss-sauren Triumph ganz besonders über das Wiedersehen mit dem Engelberger.
«Schön dich hier zu sehen, Marc. Du siehst körperlich schon wieder Top-Fit aus!», meint Kilde. Physisch ist Gisin tatsächlich schon wieder in der Form seiner allerbesten Tage. Aber der 1,98 Meter grosse Bruder der Olympiasiegerinnen Dominique und Michelle ist sich bewusst, dass bei diesem Comeback-Versuch sein Gehirn eine noch entscheidendere Rolle spielen wird.
Das Unterbewusstsein bremst ihn noch immer
«Ich bin in der Saisonvorbereitung nur in kleinen Schrittchen voran gekommen», erzählt Gisin. «Mein Unterbewusstsein hat mich beim Skifahren immer wieder gebremst hat, um meinen Körper vor einer weiteren Verletzung zu schützen.»
Und mittlerweile hat Gisin eingesehen, dass er seine unterbewusste Körper-Schutzhaltung auch nicht überlisten kann. «Ich kann mir am Start noch so einreden, dass ich voll ans Limit gehen will – im Endeffekt geben auf der Piste der Körper und das Unterbewusstsein den Takt vor. Aber ich glaube ganz fest daran, dass der Moment kommen wird, in dem mein Unterbewusstsein den Gang ans absolute Limit wieder zulassen wird.»
Selbstverständlich hofft Gisin, dass das genau jetzt bei seiner ersten Trainingsfahrt in Lake Louise passiert.