Nur wenig ist an diesem Sonntag in Spindlermühle (Tsch) gleich wie tags zuvor. Die Slalompiste ist weiterhin pickelhart, 10’000 Fans sorgen erneut für Stimmung und die Portion Pommes kostet immer noch 60 tschechische Kronen – umgerechnet 2,60 Franken. Ansonsten ist aber fast alles anders. Zunächst zur Spitze: Mikaela Shiffrin (27, USA) verpasst es trotz Halbzeitführung, Ingemar Stenmarks Rekord von 86 Weltcupsiegen einzustellen. «Wenn ich nicht top fahre, reicht es halt nicht», sagt sie. Lena Dürr (31) gewinnt als erste Deutsche seit Maria Höfl-Riesch vor zehn Jahren einen Slalom.
Shiffrin kann es verkraften – sie sichert sich vorzeitig ihre siebte Slalom-Kugel. Auch, weil Wendy Holdener (29) einen Nuller einfährt. Die Schwyzerin verliert nach starker Fahrt noch im ersten Lauf bei einer Haarnadel das Gleichgewicht, bleibt stehen und erreicht das Ziel mit über sechs Sekunden Rückstand. «Es kotzt mich schon etwas an, dass es schon so früh fertig ist», sagt sie enttäuscht. Im letzten Rennen vor der WM ein Malheur – darauf hätte Holdener gerne verzichtet. Bereits am Montag in einer Woche gehts für sie in Méribel um Kombi-Gold. «Ich bin trotzdem gut drauf, sowohl im Super-G, als auch im Slalom. Es sollte schon passen.»
Muss eine über die Klippe springen?
Ganz anders ist die Gemütslage bei Michelle Gisin (29). Sie erfüllt mit Platz 9 in letzter Sekunde die Kriterien von Swiss-Ski (einmal Top 7 oder zweimal Top 15), um bei der WM auch im Slalom an den Start zu gehen. «Das gibt mir Mut, genau dies habe ich gebraucht», sagt Gisin. Der Hintergrund: Der zweifachen Kombi-Olympiasiegerin lief es seit dem Materialwechsel zu Salomon längst nicht immer rund, sie hat ein Winter voller Auf und Abs hinter sich.
Gleichzeitig sorgt Gisin mit ihrer Slalom-Quali für einen Salat. Weshalb? Einfach: Neben ihr haben vier weitere Fahrerinnen die Selektionskriterien erfüllt – die gesetzte Holdener, dazu Camille Rast (24), Elena Stoffel (26) und Aline Danioth (24). Nur vier dürfen letztlich starten.
«Ja, das ist ein Salat, aber ein schöner Salat», sagt Frauen-Cheftrainer Beat Tschuor schmunzelnd. Er hat ein Luxusproblem zu lösen – gemeinsam mit Alpin-Chef Walter Reusser und Männer-Cheftrainer Tom Stauffer. Die drei dürfen für die WM 24 Athleten aufbieten, maximal 14 pro Geschlecht. Es gilt, unzählige Abwägungen zu machen. Platzierungen, Formkurven, Medaillenchancen, Zusammenstellung in einzelnen Disziplinen – alles gilt es zu berücksichtigen. «Es ist möglich, dass wir Athletinnen oder Athleten enttäuschen werden. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei einer genauen Begründung die Akzeptanz in der Regel gross ist», so Reusser.