BLICK: Urs Lehmann, wie lautet ihr Fazit zur Ski-WM in Vail und Beaver Creek?
Urs Lehmann: Es ist ein Abbild des ganzen Winters. Wir dürfen zufrieden sein. Die Medaillenvorgabe wurde erfüllt. Aber wir sind weit davon entfernt, glücklich zu sein. Von daher: Meine Bilanz ist zweischneidig.
Inwiefern?
Bei den Speedrennen haben wir überzeugt. Wie die Jungs bei der Männerabfahrt bereit waren, das war bestechend und der absolute Höhepunkt. Auch die Abfahrtsmedaille von Lara Gut ist toll. Aber in den technischen Wettbewerben habe ich mehr erwartet. Die Art und Weise, wie Luca Aerni und Daniel Yule im Slalom ausgefallen sind, die hat mich schon enttäuscht. Die waren nicht bereit. Und das muss man analysieren.
Und die Frauen?
Die haben die Vorgaben nicht erfüllt. Hinter Lara Gut, Dominique Gisin und Fabienne Suter klafft einfach eine grosse Lücke. Da muss man neue Impulse setzen. Da müssen wir im Hinblick auf die Heim-WM in St. Moritz reagieren.
Wie?
Spontan kommt mir da Karl Frehsner in den Sinn. Der hat nach der erfolgreichen WM in Crans Montana 1987 (14 Schweizer Medaillen, Anm. d. Red.) einfach zehn Talente aus allen verschiedenen Kadern zusammengetrommelt und die in ein Spezialprogramm genommen. Das kann ein Ansatz sein. Ich möchte von den Verantwortlichen bis zum Weltcupfinale Vorschläge, wie man jetzt neue Reizpunkte setzen kann.
Österreich hat wieder alle Nationen in den Schatten gestellt.
Ja, und dazu gratuliere ich den Österreichern. Ihre Dominanz ist eindrücklich. Und sie hatten auch das Glück der Tüchtigen. Ich denke da an Marcel Hirscher in der Super-Kombination. Er hat von einem Ausfall profitiert und konnte mit Startnummer 1 zum Slalom antreten. Sonst gewinnt er dieses Gold nicht. Aber Glück muss man sich auch verdienen.
Kein Glück hatten die Italiener.
Da sieht man, wie schnell man bei einem solchen Anlass total abstürzen kann. Die Italiener sind im Weltcup die zweitbeste Nation. Fahren aber ohne Medaille nach Hause.
Wie haben Sie die Stimmung in Vail und Beaver Creek erlebt?
Toll. Die Amerikaner waren hervorragende Gastgeber. Und die Pisten, vor allem in den schnellen Disziplinen, waren hervorragend. Die Speed-Events waren sensationell. Ich habe wohl noch nie so ein spannendes und hoch stehendes Rennen wie den Super-G der Männer erlebt.
Verstehen die Amerikaner jetzt mehr vom Skisport?
Sie haben toll mitgemacht, auch wenn das Skifahren eine Randsportart bleiben wird. Zur tollen Atmosphäre in Vail hat auch unser House of Switzerland beigetragen. Da haben wir uns bestens präsentiert, das gibt Gold.