Pfiffe und Buh-Rufe gellen von den Tribünen herunter. Viele Fans in Crans-Montana VS sind sauer. Der Grund: Die Zeitmessung bei der Abfahrt streikt. Nicht bei allen, aber bei vier der 52 Fahrerinnen: Joana Hählen, Lara Gut-Behrami, Jasmine Flury und Priska Nufer. Ihre Zeiten halten nicht an, als sie über die Ziellinie fahren.
«Wie früher bei den Kinderrennen», sagt Hählen. Die Bernerin wird letztlich Zweite hinter Sofia Goggia (It). Gut-Behrami macht dagegen Stunden nach ihrer Ankunft einen Platz gut, sie wird Dritte statt wie ursprünglich angegeben Vierte.
Leidtragende ist Nicole Schmidhofer (Ö), die von Platz 3 auf 4 zurückgestuft wird. An der Mannschaftsführersitzung platzt Österreichs Frauen-Chef Jürgen Kriechbaum der Kragen. «Das ist nicht normal! Wir haben die ORF-Bildern mit den Fahrten dieser Athletinnen synchronisiert. Unsere Rangliste ergab: Erste Goggia, Zweite Schmidhofer, Dritte Corinne Suter, Vierte Hählen, Fünfte Gut-Behrami.»
Erfolgschancen für Protest sind gering
Kriechbaum zweifelt an der von Hand gestoppten Zeiten der vier Schweizerinnen. Diese waren massgebend, weil sowohl die A- als auch die B-Messung (mit Lichtschranken) versagt hatten. FIS-Renndirektor Atle Skardaal: «Ich verstehe den Frust. Man darf aber nicht vergessen, dass die von Hand gestoppte Zeit später noch kalibriert wird.» Kriechbaum schüttelt den Kopf. Er legt Protest gegen das Resultat ein. Die Erfolgschancen sind gering.
Letztlich behält Hählen also ihren Podestplatz – ihr erster überhaupt. Nach fünf Jahren und drei Monaten erfüllt sich die Power-Frau aus Lenk BE einen Kindheitstraum. Tränen kullern ihr über die Wangen. «Es ist wunderschön.»
Kabel war offenbar defekt
Kriechbaum gönnt Hählen den Erfolg. Aber: «Für sie ist es auch hart, wenn sie anhand der TV-Bilder sieht, dass sie das Resultat vielleicht nicht verdient hat.» Hinterfragen wird sich die Firma «Swiss Timing», welche im Auftrag der Uhrenmarke «Longines» die Zeiten misst. Skardaal: «Ein Kabel war offenbar defekt. Weil eine Maschine oder ein Skifahrer drüber fuhr.» Das führte zu Verbindungsproblemen zwischen der Infrastruktur bei der Ziellinie und dem Zeitnehmer-Raum.
Das Zeit-Fiasko bleibt. Und das im Uhren-Land Schweiz.