Wenn man an einer Ski-WM Vierter wird
«Ich hätte mich am liebsten in der Erde vergraben»

Es ist der undankbarste Platz an einer WM: Rang 4! Bereits 80-mal ist das einer Schweizerin oder einem Schweizer passiert. Wir haben mit 4 von ihnen darüber gesprochen. Sie beruhigen: Das Leben geht auch nach der Ledermedaille weiter.
Publiziert: 10.02.2021 um 10:32 Uhr
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Willi Forrer zählte in den 50er- und 60er-Jahren zu den grössten Skirennfahrern der Welt.
Foto: RDB
Daniel Leu

Willi Forrer: «Ich war einfach nicht schnell genug!»

4. WM-Abfahrt 1958 Bad Gastein (Ö), 4. WM-Abfahrt 1960 Squaw Valley (USA), 4. WM-Abfahrt 1962 Chamonix

«Das Schöne aber auch das Harte am Skirennfahren? Wenn man nur Vierter wird, war nicht der Schiedsrichter schuld, sondern die Uhr und man selber. Man war einfach nicht schnell genug für eine Medaille. Besonders hart war es 1962. Ich war damals der beste Skirennfahrer der Welt und gewann auch Kitzbühel. Als ich dann an der WM in Chamonix zum dritten Mal Vierter wurde, hätte ich mich am liebsten mit einem Erdsondenbohrer in der Erde vergraben. Ein Aussenstehender kann das gar nicht begreifen.

Später habe ich mal Franz Heinzer getroffen, der ja auch dreimal Vierter wurde. Ich habe ihn dann getröstet und ihm gesagt: ‹Schau mich an, das Leben geht weiter und ich lebe ja immer noch. Du musst das ertragen können.› Zum Glück wurde er im Gegensatz zu mir später doch noch Weltmeister.»

Willi Forrer (85) gehörte in den 50er- und 60er-Jahren zu den erfolgreichsten Skirennfahrern der Welt. Der Toggenburger gewann 20 internationale Rennen. Vor zwei Jahren stand er das letzte Mal auf den Ski. «Ich bin dankbar und zufrieden, dass es mir so gut geht», sagt er heute.

Nadja Jnglin-Kamer: «Ohne diese Wolke hätte ich Bronze geholt»

4. WM-Abfahrt 2013 Schladming (Ö)

«Ganz ehrlich – wenn Sie mich heute, acht Jahre danach, auf dieses Rennen ansprechen, tut mir das immer noch ein bisschen weh. Als Spitzensportlerin lernt man zwar damit umzugehen, aber diese vier Hundertstel, die auf Bronze fehlten, sind schon ärgerlich. Auch wenn es halt in jedem Rennen eine treffen muss.

Zumal ich ein gutes Rennen fuhr. In den Trainings hatte ich immer Fehler drin, im Rennen aber nicht. Doch als ich als Zweite ins Ziel fuhr, war mein erster Gedanke: Wahrscheinlich wird das jetzt genau ein vierter Rang geben. Ich habe das irgendwie gleich gespürt.

Zudem hatte ich wirklich Wetter-Pech. Das ist jetzt keine Ausrede. Bei mir lag fast die ganze Strecke im Schatten. Doch als ich im Ziel ankam, schaute ich in den Himmel und sah, wie eine Wolke wieder von der Sonne wegzog. Die Fahrerinnen nach mir fuhren dann auch alle in der Sonne. Das ist ein extremer Vorteil. Es ist schon brutal, wenn es am Wetter liegt. Hätte es diese Wolke nicht gegeben, hätte ich Bronze geholt.»

Nadja Jnglin-Kamer (34) fuhr in Speedrennen fünfmal auf ein Weltcup-Podest. 2015 trat die Schwyzerin zurück. Heute ist sie hauptsächlich Mami, zwei Kinder sind schon da, das dritte ist unterwegs.

Andrea Zinsli: «Ich bin ein halber Weltmeister»

4. WM-Slalom 1996 Sierra Nevada (Sp)

«Als ich damals Vierter wurde, hatte ich eine Riesenfreude und war einfach nur happy. Denn die Wochen zuvor lief es bei mir nicht so wunschgemäss. Damals dachte ich mir: Na gut, ich bin erst 23 Jahre alt, irgendwann hole ich schon noch eine Medaille. Doch es kam leider anders...

In der Sierra Nevada lag ich nach dem ersten Lauf nur auf Platz 13. Im zweiten griff ich voll an und ging mit grossem Vorsprung in Führung. Leider hat es schliesslich nur zum vierten Platz gereicht. Doch ich fuhr in Durchgang 2 Laufbestzeit, ich bin deshalb ein halber Weltmeister.

Richtig realisiert, dass ich nur Vierter wurde, habe ich erst bei der Rückkehr am Flughafen Kloten. Während sich die Medaillengewinner Urs Kälin und Michael von Grünigen von ihren Fans feiern liessen, musste ich ihnen quasi das Gepäck nachtragen.»

Andrea Zinslis (48) erfolgreichstes Rennen seiner Karriere war der WM-Slalom 1996. Mit 25 verletzte sich der Bündner schwer und konnte danach nicht mehr brillieren. Heute arbeitet er als Generalagent bei einer Versicherung in Chur.

Heidi Zeller-Bähler: «Genügend Abstand, um sich nicht zu ärgern»

4. WM-Riesenslalom 1993 Morioka (Jap)

«Als ich damals Vierte wurde, dachte ich im ersten Moment sch... Tage später war ich zufrieden, weil ich nicht damit gerechnet hatte, und heute denke ich manchmal: Schade, habe ich nicht noch eine Fahrerin hinter mir gelassen.

An die Details kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiss nur noch, dass ich zu Beginn der WM-Saison im Riesenslalom etwa die Startnummer 60 hatte und ich mich bis Morioka immer weiter nach vorne kämpfte. An der WM lag ich dann nach dem ersten Lauf zurück, deshalb hoffte ich dann auch nicht mehr auf eine Medaille. Schlussendlich wurde ich Vierte, aber mit genügend Rückstand auf Bronze, um sich nicht richtig zu ärgern.»

Heidi Zeller-Bähler (53) gewann drei Weltcuprennen. Heute arbeitet das zweifache Mami auf dem Bauernbetrieb der Familie und als Sportlehrerin in Sigriswil BE.
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