1814 Menschen leben in Sun Valley im US-Bundesstaat Idaho. Das Dörfchen, vor rund 90 Jahren als Ski-Resort gegründet, gilt als Geheimtipp für Skifans und Kulturinteressierte. Von Ernest Hemingway über Clint Eastwood bis zu Arnold Schwarzenegger erfreuten sich in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von prominenten Künstlern und Denkern an der Natur an den Füssen des Hausbergs Bald Mountain.
Doch jetzt hat die rustikale Wildwest-Romantik um Sun Valley kurz Pause. Die Destination ist nämlich der Grund dafür, dass sich FIS-Präsident Johan Eliasch (61) und Swiss-Ski-Chef Urs Lehmann (54) mächtig in den Haaren liegen – einmal mehr. «Aus den Nachrichten habe ich erfahren, dass Sun Valley den Weltcup-Final 2025 austragen soll», sagte Lehmann, selber Mitglied des FIS-Councils, am Rande der Lauberhornrennen dem Portal skiactu.ch. «Ich hatte davor noch nie etwas davon gehört.» Und: «Wir müssen darüber nachdenken, wer den Rennkalender macht. Im Moment hält man sich nicht an die vorgesehenen Abläufe. Im Moment macht es eine Person von zu Hause aus.»
Hat sich Lehmann unethisch verhalten?
Mit der Person, die von daheim aus den Rennkalender machen soll, meint Lehmann Eliasch. Darum ist jetzt der Teufel los. Der schwedisch-britische Milliardär hört aus den Worten des Schweizers «unethisches Verhalten» heraus. In der FIS-Zentrale versteht man Lehmanns Worte auch als Kritik am aktuellen Rennkalender, der in den letzten Monaten im Weltcupzirkus mächtig für Ärger gesorgt hat – zuletzt in Wengen, wo es nach drei Speed-Rennen in drei Tagen zu schweren Stürzen kam. Eliaschs Sprecherin sagt: «Urs Lehmann ist ein Mitglied des FIS-Councils und hat den Kalender 2023/24 ohne Vorbehalte akzeptiert. Jetzt hat er die FIS für eine Kalender-Entscheidung kritisiert, die er davor gutgeheissen hatte. Die FIS verurteilt ein solches unaufrichtiges Verhalten und ist der Meinung, dass Urs Lehmann, ein Mitglied des FIS-Rates, damit unethisch gehandelt hat.»
Er nehme sie zur Kenntnis, sagt Lehmann zu den Vorwürfen. «Meine Kritik hat sich auf Sun Valley bezogen und auf die generelle Kalenderplanung. Die ist in den letzten Jahren nicht immer so gemacht worden wie zuvor. Das ist nicht gut fürs System. Dazu stehe ich.»
Mehr Rennen in den USA – aber können die neuen Destinationen liefern?
Blick hört sich bei einer Reihe von hochrangigen FIS-Funktionären aus verschiedenen Nationen um. Der Tenor: Es hat sich tatsächlich einiges geändert. Vor Eliaschs Zeiten leisteten die Rennleiter die Vorarbeit, danach ging der Entwurf ans Sub-Komitee für den alpinen Weltcup, bevor das FIS-Council darüber abstimmte. Derzeit sei der Input der Rennleiter viel geringer, stattdessen spielten Marketingüberlegungen eine stärkere Rolle. Zum Beispiel will man mehr Rennen in den USA, weil man dort Wachstumspotenzial ortet. Nicht immer aber sei die Infrastruktur bei den US-Rennen über alle Zweifel erhaben. «Die Langfrist-Kalender wurden im Hauptquartier in Oberhofen BE ausgearbeitet und nicht in diesem Komitee, was die Veränderungen in der FIS-Strategie zeigt», heisst es im Protokoll der Sub-Komitee-Sitzung vom letzten September sogar. Die Entwürfe kämen erst in letzter Minute beim Komitee an, was eine seriöse Diskussion verunmögliche. Bei der FIS will man diese Veränderungen offiziell nicht bestätigen.
Fragezeichen gibt es auch um ein mögliches Weltcup-Finale in Sun Valley im nächsten Jahr. Das letzte Weltcuprennen wurde dort im März 1977 ausgetragen, Ingemar Stenmark siegte vor Christian und Heini Hemmi. Von den technischen Experten der FIS sei bislang noch niemand vor Ort gewesen, ist aus FIS-Kreisen zu vernehmen. Ob das Resort in Idaho 14 Monate vor dem Tag X Weltcup-tauglich ist, sei unklar. Trotzdem ist die Destination nun als Weltcupfinal-Ausrichter auf dem vorläufigen Kalender für 2025 aufgetaucht. «Es wurden noch keine Rennen festgelegt – und werden auch nicht festgelegt, bis das FIS-Council diese Rennen genehmigt hat», beruhigt die FIS-Sprecherin. «Der FIS-Kalender wird vom FIS-Council nach einem strengen Verfahren beschlossen, an dem Renndirektoren, FIS-Mitarbeiter, NSAs, Organisatoren und viele andere beteiligt sind. Urs Lehmann ist sich dieser Verfahren sehr wohl bewusst, eine Tatsache, die die Beweggründe für seine aktuelle Aussage infrage stellt.»
Womit wir bei der Frage wären, ob Lehmann nun Konsequenzen für seine Aussagen drohen. Bei der FIS will man sich dazu nicht äussern. Klar ist: Es wird in Kitzbühel auch abseits der Rennen auf der legendären Streif hoch hergehen. Trifft sich gut, dass Arnold Schwarzenegger dort jedes Jahr vorbeischaut. Als Action-Star und Ex-Gouverneur von Kalifornien hat er die natürliche Autorität, die beiden Streithähne notfalls zu trennen – und als Stammgast kennt er sich auch in Sun Valley bestens aus.