Vor seinen grössten Siegen hat Didier Défago (37) eine Kiwi gegessen. Auch jetzt, viereinhalb Stunden vor dem Start zu seiner letzten Lauberhornabfahrt, ist der Walliser am Frühstücksbuffet des Hotels Belvédère auf der Suche nach seiner Glücksfrucht – erfolglos. «Ich habe in den letzten Tagen zum Frühstück hier so viele Kiwis gegessen, dass die Vorratskammer jetzt wohl leer ist», ulkt «Déf». Und beisst dafür umso kräftiger ins Butterbrot.
Danach marschiert er mit einem Einfahrski zum Schulhaus. Hier steht für Défago und seine Teamkollegen ein Helikopter bereit. «Das ist hier in Wengen unser grosser Vorteil: Während die anderen Teams mit dem Zug zum Start hinauf fahren müssen, werden wir geflogen. Dadurch können wir eine Stunde länger regenerieren.»
Nach der Landung absolvieren Défago und Co. einen Einfahrlauf auf der Piste beim «Wixi-Lift». Dann geht es zur Streckenbesichtigung. Eine Stunde vor dem Start zieht sich Didier mit anderen Athleten in ein Lokal bei der Kleinen Scheidegg zurück.
Während sich Dominik Paris mit Death-Metal-Sound für das Rennen heiss macht, bleibt der iPod von Metal-Fan Défago für einmal im Off-Zustand. «Bei Rennen im Ausland ziehe ich mir vor dem Start oft AC/DC oder Iron Maiden rein, doch hier in Wengen machen die vielen Fans die Musik.»
Um 13 Uhr 11 singen die Schlachtenbummler nur für ihn: Der zweifache Familienvater startet zu seiner Abschiedsvorstellung am Lauberhorn. Das Ziel erreicht er zwei Minuten, 37 Sekunden und 91 Hundertstel später. Was in der Endabrechnung den zehnten Rang bedeutet.
Trost durch Teamkollegen
Sein Fazit: «Bei der Traverse vor dem Hundschopf habe ich einen Schlag erwischt, der mich abgetragen und entsprechend Tempo gekostet hat. Aber die tollen Leistungen meiner Teamkollegen trösten mich.»
Um 17 Uhr 50 steigt der einzige Schweizer Abfahrer, der neben Wengen und Kitzbühel auch Olympia-Gold in der Abfahrt gewonnen hat, mit Gattin Sabine und einer Portion Wehmut in den Zug: «Die Gewissheit, dass ich am Lauberhorn nie mehr ein Rennen bestreiten werde, macht mich schon ein bisschen traurig», sagt er. Doch der Blick in die Zukunft macht ihn auch zufrieden: «Ich freue mich auf ein Leben nach der Rennkarriere ohne gesundheitliche Beschwerden – und dass das sehr lang sein kann, wird mir jedes Mal bewusst, wenn mir mein alter Trainer Karl Frehsner begegnet...»