Carlo Janka versteckt seine grenzenlose Enttäuschung im Ziel hinter einer dunklen Sonnenbrille. Er steht lange mit da, schüttelt immer wieder den Kopf und schaut nach oben. Erst seine Frau Jenny und seine fünf Monate alte Tochter Ellie können ihn einige Minuten danach etwas aufmuntern und zum Lächeln bringen.
«Hätte, wäre, das hilft alles nichts. Ich hab’s nicht ohne Fehler ins Ziel gebracht. Und ob ich jetzt 13., 29. oder 45. bin, spielt auch keine Rolle», sagt Janka kurz danach. Der Mann, der in Wengen schon achtmal auf dem Podest gestanden ist, weiss, dass viel, sehr viel mehr möglich gewesen wäre. Doch bei der Minschkante springt er sehr weit. «Bei der Landung hat es mir den Ski weggerissen, und ich lag praktisch im Schnee.»
Aufgeben will er nicht, er kämpft weiter, aber der kapitale Fehler ist auf der verkürzten Strecke nicht mehr zu korrigieren. Bis zu diesem Moment ist Janka in Führung und verliert auch nach diesem Missgeschick keine Zeit mehr. Man muss kein Mathematiker sein, um auszurechnen, was für ihn möglich gewesen wäre. Alles, auch der Sieg!
Er weiss, dass er eine Riesenchance verpasst hat. Ist das einer der bittersten Moment seiner Karriere? «Es ist bitter. Aber es gab schon bitterere Erlebnisse», sagt der Mann, der immer wieder Rückschläge zu verkraften hatte und dem die Gesundheit schon mehr als ein Schnippchen geschlagen hat. Und darum hätte man ihm ein Resultat gewünscht, dass seiner nach wie vor grossen Klasse entspricht.
Janka verpasst den Sieg und den Podestplatz. Genauso wie seine Bündner Zimmerkollege Mauro Caviezel. Auch für Caviezel, der schon in der Kombination vom Freitag als grosser Favorit ausgeschieden ist, wäre viel mehr möglich gewesen. Ein Verschneider beim Kernen-S wird ihm zum Verhängnis. «Ich ärgere mich. Aber nur kurz. Dann überwiegt die Freude über meinen fünften Platz», so Caviezel, der um elf Hundertstel am Podest vorbei schrammt. Auch er kann den Konjunktiv bemühen. Hätte, wäre, würde. Klar ist: Eine reines Schweizer Podest war gestern zum Greifen nahe.
Janka und Caviezel können mit dem Schicksal hadern. Uneingeschränkt freuen dürfen sich andere. Der junge Lars Rösti, der einen Tag vor seinem 22. Geburtstag in die Punkte fährt. Ralph Weber, der ein kräftiges Lebenszeichen von sich gibt. Der ehemalige Juniorenweltmeister egalisiert sein bisher bestes Ergebnis im Weltcup. Und aufhorchen lässt auch Stimmungskanone Niels Hintermann. Der Zürcher wird glänzender Achter und bestätigt seinen Exploit von Bormio (6.). Der Sensationssieger der Lauberhorn-Kombination von 2017 scheint sich langsam in der Abfahrtselite zu etablieren.
«Ich war brutal nervös am Start und musste noch mehr Witzchen und Sprüche machen, um mich abzulenken», sagt Hintermann. Aber dann hat er es genossen, die Fans, der Rock n' Roll am Hundschopf und über die Minschkante. «Diese Passage war spektakulär zu fahren in diesem Jahr.» Für Hintermann ist das Laubehorn einzigartig. «Dieses Rennen darf nie sterben», sagt er.