Der Schweizer Cheftrainer Tom Stauffer schaut dem kommenden Alpin-Winter mit einiger Skepsis entgegen. Stauffers Athleten haben in den letzten Monaten zwar auf den Gletschern im Wallis und in Südamerika grösstenteils sehr gut trainiert. Aber es ist das neue FIS-Verbot von fluorhaltigen Wachsen, welches den 53-jährigen Berner Oberländer beunruhigt.
«Ich zweifele zwar keine Sekunde daran, dass sich unsere Serviceleute an die Vorschriften halten. Aber aufgrund der Gespräche, die ich mit Vertretern aus der Ski-Industrie geführt haben, befürchte ich, dass es aufgrund von Messfehlern zu ungerechtfertigten Disqualifikationen kommen könnte!»
Der Reihe nach. Der internationale Skiverband hat das Verbot für eine Ski-Präparation mit fluorhaltigen Produkten aus ökologischen Gründen ausgesprochen. Diverse Fluorverbindungen sind Expertisen zufolge nicht abbaubar und können somit Mensch und Umwelt einen geringen Schaden zuführen.
Zweifel am Messgerät
Die FIS wird deshalb nach jedem Weltcuprennen mit einem speziell angefertigten Gerät die Rennlatten der Athleten auf den Fluorgehalt testen. Pro Ski werden drei Proben genommen: an der Spitze, in der Mitte und am Ende. Leuchtet das Gerät dreimal grün auf, ist alles in Ordnung. Sollte das Gerät aber dreimal rot aufleuchten, wird der Rennfahrer disqualifiziert. Was viele Trainer und Athleten beunruhigt: In der Testphase ist es vorgekommen, dass das Gerät bei neuen Skibelägen, die garantiert nie mit Fluor in Berührung gekommen sind, rot aufgeleuchtet hat.
Head-Rennchef Rainer Salzgeber (56) hat einige dieser missglückten Tests miterlebt. Und der Österreicher, der 1993 die Silbermedaille im WM-Riesenslalom gewonnen hat, kann die Skifamilie sechs Wochen vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden nur halbwegs beruhigen. «Die letzten Testmessungen schienen mir zwar schon wesentlich verlässlicher zu sein. Aber es gibt in dieser Angelegenheit immer noch einige wunde Punkte.»
Dessen ist man sich auch beim Ski-Ausrüster von Superstar Marco Odermatt (25) bewusst. Der langjährige Stöckli-Rennleiter Beni Matti (42) liefert ein Beispiel: «Beim Umschleifen der Ski wird dem Kühlungswasser der Maschinen reguläre Emulsion beigefügt, damit die Aggregate nicht rosten. Bei den Fluor-Testmessungen hat diese Substanz oft einen höheren Wert angegeben als normal gewachste Skis. Der erlaubte FIS-Wert liegt bei 0,99. Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass das Messgerät der FIS die Definition von Fluor nicht genau feststellen kann.» Heisst also: Das Gerät kann zumindest in manchen Fällen nicht unterscheiden, ob es sich um Fluor oder um eine andere Substanz handelt.
Die Sorgen bei Odermatts Ausrüster
Matti erkennt aber noch zwei andere grosse Probleme. «Nehmen wir an, die Startnummer 3 geht mit einem Fluor beinhaltenden Ski ins Rennen. Jeder darauffolgende Athlet mit lupenreinem Belag könnte dann über diese Spur gefahren sein, und Rückstände von Fluor abkriegen und deshalb disqualifiziert werden.»
Durch das Fluor-Verbot wird zudem die Sabotagegefahr erhöht: «Weil es im Ski-Zirkus längst nicht so viel Platz gibt wie beispielsweise in der Formel 1, teilen sich oft vier verschiedene Ausrüster einen Wachs-Container. Und deshalb hätte jedermann ziemlich leichtes Spiel, wenn er seinem ärgsten Konkurrenten Fluor auf die Ski schmieren möchte.» Somit ist ein Ski-Winter mit viel Knatsch und üblen Verdächtigungen vorprogrammiert.