Vor 25 Jahren starb Gernot Reinstadler am Lauberhorn
Tod im Zielhang

Vor 25 Jahren wird am Lauberhorn ein rabenschwarzes Kapitelgeschrieben: Der Tiroler Gernot Reinstadler verliert im Ziel-S sein Leben.
Publiziert: 12.01.2016 um 19:58 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:49 Uhr
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Der damals 21-jährige Gernot Reinstadler.
Foto: foto-net
Marcel W. Perren

Es ist am Nachmittag des 18. Januar 1991. Im Irak tobt der Golfkrieg, am Lauberhorn wird erstmals in der Weltcup-Geschichte ein Quali­fikationstraining ausgetragen. Während sich der 21-jährige Gernot Reinstadler mit kräftigen Stockstössen aus dem Starthaus wuchtet, kurvt seine Mama Traudl, die in den 60erJahren auf höchster Stufe Skirennen bestritt, selber im Pitztal über die Piste.

Gegen 15 Uhr hat Frau Reinstadler in der Gondelbahn eine merkwürdige Begegnung. Sie sagt rückblickend zu BLICK: «Ich bin einer Frau begegnet, die mir erzählt hat, dass sie ein Jahr zuvor ihren Sohn bei einem Unfall in der Schweiz verloren habe. Ich sprach mit ihr darüber und dachte mir: Mein Gott, was muss diese arme Frau leiden!»

Als Traudl Reinstadler rund eine Stunde später nach der letzten Talabfahrt zu Hause eintrifft, beginnt ihre Leidensgeschichte. «Während ich die Haustüre öffnete, begann in der Stube das Telefon zu klingeln. Am Apparat war der damalige ÖSV-Männerchef Hans Pum. Hans rief mich aus Wengen an, um mir schonend beizubringen, dass Gernot schwer gestürzt sei. Er versuchte aber, mich zu trösten, indem er sagte, dass mein Sohn im Spital in Interlaken in besten Händen sei.»

Und als Traudl am späteren Abend einen Anruf von ihrem ehemaligen Rennfahrerkollegen Karl Schranz bekommt, keimt im Hause Reinstadler wieder grosse Hoffnung auf. «Karl war damals selber in Wengen, und er war sich ziemlich sicher, dass Gernot durchkommen würde. Mein Mann und ich stellten uns deshalb bereits darauf ein, dass wir am nächsten Tag nach Interlaken fahren, um den Gernot im Spital zu besuchen.»

Doch kurz nach Mitternacht fallen die Reinstadlers in ein dunkles seelisches Loch. «Abfahrtstrainer Robert Trenkwalder informierte mich, dass Gernot gestorben sei. Im ersten Schock fragte ich den Robert: ‹Und, wie gehts jetzt weiter?› Er sagte mir, dass Gernots Leiche zu uns nach Tirol überführt würde. Da war mir klar, dass wir zu Hause bleiben können.»

Praktisch zeitgleich bekommt der damalige Lauberhorn-Rennleiter Fredy Fuchs die traurige Information. Dem 78-Jährigen schiessen auch heute noch die Tränen in die Augen, wenn er mit dem einzigen Todesfall in der 86-jährigen Lauberhorn-Geschichte konfrontiert wird: «Hans Pum hat mir zwar damals kurz nach Gernots Tod am Telefon bestätigt, dass man uns vom OK keinen Vorwurf machen könne. Trotzdem war ich nach diesem Vorfall kurz davor, den Bettel hinzuschmeissen. Und ich wurde danach lange von Albträumen geplagt. Ich hatte immer wieder den schrecklichen Traum, dass ein Rennfahrer im Canadian Corner von der Strecke abkommt und mit einem Zug kollidiert.»

Zu Reinstadlers besten Freunden gehörte Stefan Eberharter, der im Ski-Zirkus meistens das Zimmer mit Gernot teilte. Weil er sich damals aber schon auf den WM-Super-G vorbereitete, war Steff, der später zweimal den Gesamtweltcup gewinnen sollte, nicht in Wengen, sondern bereits in Saalbach. «Als ich an diesem Abend ins Bett gegangen bin, war keine Rede davon, dass Gernot in Lebensgefahr sei. Aber als ich am Morgen danach im Frühstücksraum meinen Trainer Sepp Hanser fragte, was es Neues vom Golfkrieg gebe, sagte er zu mir: ‹Das weiss ich nicht. Aber ich muss dir mitteilen, dass dein Kumpel Gernot gestorben ist.›» Obwohl diese Nachricht Eberharter trifft wie ein Vorschlaghammer, geht er eine knappe Stunde später auf die WM-Piste. «Doch nach wenigen Schwüngen musste ich das Training abbrechen, weil ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, ich würde wie Gernot in Richtung Fangzaun donnern.»

Aber zwei Tage nach der Beerdigung seines Kumpels wird Eberharter in Saalbach Weltmeister im Super-G und gewinnt später auch noch Gold in der Kombination.

Besonders starke Worte spricht zum Abschluss Mama Reinstadler aus, die regelmässig nach Wengen zu Gernots Gedenktafel fährt: «Der Tod meines Sohnes hat viele andere junge Leben gerettet. Wenn er damals nicht vom Fangnetz zerrissen worden wäre, hätte sich die Sicherheit bei Abfahrtsrennen nicht so schnell verbessert.»

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