Vom Hockey-Muffel zum Kondi-Coach des EHC Chur
Der plötzliche Gesinnungswandel von Carlo Janka

Zweieinhalb Jahre nach seinem Rücktritt als Skirennfahrer agiert Carlo Janka in einer Sportart, die er einst verpönt hat.
Publiziert: 03.07.2024 um 16:02 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2024 um 17:36 Uhr
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Im Januar 2022 hat sich Carlo Janka bei der Lauberhornabfahrt vom Skirennsport verabschiedet.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Dass sich einige Ansichten von Carlo Janka (37) im Lauf der Zeit verändert haben, belegt eine Anekdote vom 14. Februar 2009. Es war am Tag nach Jankas Riesen-Triumph bei der WM in Val-d’Isère, als die Swiss-Ski-Marketingchefin Annalisa Gerber dem Bündner Star mit VIP-Tickets für die Eishockey-WM in Bern eine besondere Freude machen wollte. Aber der «Iceman» machte in diesem Moment ein Gesicht, als hätte er gerade einen Schluck saure Milch getrunken. «Ich bin Fussball-Fan, mit Hockey kann ich nicht viel anfangen», murmelte der Obersaxer.

Die besondere Pointe dieser Geschichte: Mittlerweile ist der Alpin-Altmeister im Eishockey-Business tätig! Der Gesinnungswandel des Riesenslalom-Olympiasiegers hängt stark mit Michael Bont (50) zusammen. Der ehemalige Erfolgscoach von Finnlands Slalom-Königin Tanja Poutiainen (44, 11 Weltcupsiege) war ab 2013 für das Kraft- und Konditionstraining von Janka zuständig. Weil Bont auch der Athletiktrainer von NHL-Held Nino Niederreiter ist und zeitweise auch beim HC Davos tätig war, kam Janka immer öfter mit dem Eishockey in Berührung. «Ich hatte lange Zeit überhaupt keine Kontaktpunkte zum Eishockey. Aber durch Nino und Michi habe ich plötzlich erkannt, dass Eishockey eine grossartige Sportart ist.»

«Das Gefälle ist relativ gross»

Nachdem sich Niederreiter ein grösseres Aktienpaket bei seinem Jugendverein EHC Chur gesichert hatte, fragte der Star-Stürmer der Winnipeg Jets Bont, ob er beim Klub, der im letzten Frühling den Aufstieg in die Swiss League geschafft hat, das Athletik-Training übernehmen wolle. Bonts Antwort: «Aufgrund von meinen weiteren Mandaten kann ich diese Aufgabe nicht allein übernehmen. Aber ich möchte es gemeinsam mit Carlo Janka machen. Carlo hat in diesem Bereich enorm viel Know-how, er ist der ideale Mann für diese Aufgabe.» Dieser Vorschlag wurde vom EHC Chur sofort gutgeheissen.

Seit bald zwei Monaten schleifen Bont und Janka die EHC Spieler für die kommende Saison in der zweithöchsten Liga. Der Gesamtweltcupsieger der Saison 2009/10 erkennt bei seiner neuen Aufgabe grosse Parallelen zu seiner Vergangenheit: «Der Trainingsaufbau eines Eishockeyspielers ist über weite Strecken mit dem Trockentraining eines Skirennfahrers vergleichbar. In beiden Sportarten ist das Athletik-Training sehr rumpf- und beinlastig. Ein Hockeyspieler muss jedoch ein bisschen mehr ins Training in den Oberkörper investieren. Starke Schultern sind beim Schuss- und Stockhandling besonders wichtig.» Janka macht kein Geheimnis daraus, «dass das Gefälle beim EHC Chur relativ gross ist. Wir haben Spieler, welche bezüglich ihrer Athletik in der höchsten Liga mithalten könnten. Andere Spieler sind diesbezüglich in der zweiten Liga genau richtig aufgehoben. Aber genau das macht diese Aufgabe besonders spannend.»

Von Arx stimmt Loblied an

Einen ganz Grossen des Schweizer Eishockeys hat das Duo Janka-Bont in kürzester Zeit komplett überzeugt – die Rede ist von Reto von Arx (47, sechsmal Schweizer Meister mit dem HC Davos), der sich beim EHC Chur mit seinem jüngeren Bruder Jan seit drei Jahren den Posten des Cheftrainers teilt. «Michi ist ein unglaublicher Fachmann, er ist im Athletik-Bereich immer auf dem neusten Stand. Die Kombination mit Carlo ist Weltklasse. Jeder Spieler weiss, was Carlo als Sportler alles erreicht hat. Wenn er etwas vormacht, schauen unsere Jungs ganz genau hin.» Neben seiner Tätigkeit beim EHC Chur betreut Janka das Ski-Talent Gino Stucki (22) und bietet gemeinsam mit seiner Frau Jenny Gesundheits-Coaching für jedermann an. «In vielen Fällen kümmern wir uns um ein besseres Gewichts-Management und um die passende Ernährung», erzählt Janka.

Dass der Lauberhornsieger von 2010 dereinst als Ernährungsberater Akzente setzen würde, hätte bis vor ein paar Jahren kaum jemand für möglich gehalten. Schliesslich hat sich Janka während Jahren am liebsten mit fettigen Würsten verpflegt. «Die Ernährung war sehr wahrscheinlich ein Grund, dass es in meiner sportlichen Laufbahn relativ früh nicht mehr richtig funktioniert hat. Wenn ich damals mein Wissen von heute gehabt hätte, wäre sehr wahrscheinlich einiges anders verlaufen.» Damit junge Athleten nicht denselben Fehler machen, wird der dreifache Familienvater im Herbst ein Buch herausbringen, das eine Mischung aus Ratgeber und Biografie darstellt.

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