Auf einen Blick
- Marco Odermatt gewinnt den Super-G in Kitzbühel.
- Odermatt betont taktisches Rennen und kluge Linienführung als Schlüssel zum Erfolg
- 44. Weltcupsieg für Odermatt, einen Zehntel schneller als Raphael Haaser
Dass die Streif eine ganz besondere Herausforderung darstellt, bekam Marco Odermatt bereits vor seinem achten Geburtstag zu spüren. Der kleine «Odi» weilte im Sommer 2005 mit Mama Priska, Papa Walti und Schwester Alina in Kitzbühel im Familienurlaub, in dem der Spaziergang über die berüchtigtste Abfahrt der Welt nicht fehlen durfte.
Odermatts erster Streifzug endet allerdings unglücklich. Marco stürzte bei dieser Wanderung genau wie Alina und zog sich dabei einige schmerzhafte Schürfungen zu. «Unsere Kinder haben an diesem Tag einige Tränen vergossen», erinnert sich Walti Odermatt gegenüber Blick.
Odermatt triumphiert mit viel Hirn
Mit unschönen Erinnerungen vom Hahnenkamm abreisen wird nach dem jüngsten Super-G vor allem die Equipe der Franzosen, die mit dem amtierenden Kombi-Weltmeister Alexis Pinturault, Nils Alphand und Florian Loriot drei Sturzopfer zu beklagen hat.
Marco Odermatt hat dagegen allen Grund zum Jubeln. Der dreifache Gesamtweltcupsieger meistert den selektiven Parcours einen Zehntel schneller als Österreichs Überraschungsmann Raphael Haaser (27) und verbucht so seinen 44. Weltcupsieg. Damit hat der Nidwaldner nach drei zweiten Plätzen und einem dritten Rang nun auch seinen ersten Sieg in Kitzbühel realisiert. «Das ist für mich der wichtigste Super-G-Sieg in meiner Weltcup-Karriere», hält Odermatt fest.
«Es war ein sehr schlaues Rennen von mir. Ich bin in keinem Streckenabschnitt die beste Zeit gefahren, dennoch hat es in der Addition für den Sieg gereicht.» Er habe bei der Besichtigung erkannt, dass bei einem Tor ein Schlag liegt. «Ich habe mich deshalb an dieser Stelle für eine besonders runde Linie entschieden. Hier liegt die grosse Faszination im Super-G. Es gibt im Gegensatz zur Abfahrt keinen Trainingslauf, sondern lediglich eine Besichtigung. Danach muss man sich einen taktischen Plan zurechtlegen.»
Französisches Desaster
Und im taktischen Bereich haben die Franzosen offensichtlich Defizite. Pinturault, Alphand und Loriot sind genau bei diesem von Odermatt angesprochenen Tor gestürzt. «Dass drei Athleten beim selben Tor scheitern, spricht nicht wirklich für eine gute Kommunikation in der französischen Mannschaft», sagt SRF-Experte Beat Feuz. Beaver-Creek-Triumphator Justin Murisier führt die aktuelle Crash- und Verletzungswelle im Skirennsport aber auch auf die Stärke von seinem Freund und Teamkollegen Odermatt zurück. «Marco legt praktisch in jedem Rennen die Messlatte für seine Konkurrenz extrem hoch. Jeder weiss, dass er über das Limit hinaus gehen will, wenn man ihn besiegen will. Somit ist es nicht weiter verwunderlich, dass es mehr Stürze gibt.»
Lars Rösti gibt Murisier recht: «Wenn ich vor meinem Rennstart im TV sehe, was ein Odermatt oder auch ein Franjo von Allmen auf der Piste aufführen, denke ich mir oft: ‹Ups, wenn ich da jetzt noch einen obendrauf setzen will, muss ich extrem viel Risiko eingehen.› Auch Odi und Franjo sind immer am Limit, aber sie besitzen eben auch die grosse Klasse, um das händeln zu können.»
Schlägt FvA in der Abfahrt zurück?
Franjo von Allmen, welcher vor einer Woche beim Super-G am Lauberhorn triumphierte, liegt auch in Kitzbühel bis zum Hausberg vor Odermatt. Doch nach einem Fehler im Schlussabschnitt muss sich der 23-jährige Shooting-Star aus dem Berner Oberland mit dem vierten Rang begnügen. Es spricht vieles dafür, dass sich von Allmen und Odermatt am Hahnenkamm auch in der Abfahrt ein packendes Duell liefern werden.
Odermatt hat schon vor dieser Saison erklärt, dass ein Sieg bei der Abfahrt auf der Streif das grösste Ziel in diesem Winter ist. Nach dem grossen Erfolg im Super-G setzt sich der 27-jährige Ausnahmekönner aber etwas weniger unter Druck. «Ich werde unabhängig vom Resultat in der Abfahrt zufrieden aus Kitzbühel abreisen, es ist für mich schon jetzt ein sehr gutes Wochenende. Vielleicht kann ich nach der Abfahrt sogar von einem perfekten Wochenende reden.»