Dass er ein Riesenathlet ist, hat Freeskier Andri Ragettli (21) längst unter Beweis gestellt: Auf dem Schnee in den Disziplinen Slopestyle und Big Air sowieso, daneben mit seinen zahlreichen Stunt-Videos, die in den letzten Jahren reihenweise viral gegangen sind.
Geht es bei seinen Tricks normalerweise um Geschicklichkeit, Koordination und Kraft, hat er sich diesmal aber eine ganz andere Herausforderung vorgenommen. Der Bündner, der mit zwei Siegen in den letzten beiden Slopestyle-Weltcupevents der Saison die Kristallkugel holte, lief am Auffahrtswochenende einen Ultramarathon.
Das klingt anstrengend, ist es auch: 100 Kilometer nahm er am frühen Freitagmorgen unter die Füsse, von seiner Heimat Flims GR rannte er nach Schmerikon SG. Eine Monster-Distanz.
«Die Idee hat mich schon eine Weile gereizt», sagt Ragettli zu BLICK. «Ich habe zuletzt gerade zwei Bücher gelesen, in denen es um Ultramarathons ging. Das ist eine der heftigsten Herausforderungen, eine krasse Challenge. Aber ich bin ja nie richtig gerannt, darum war das zunächst kein Thema.»
Das änderte sich mit dem Lockdown. Wie der Rest der Schweiz war Ragettli plötzlich dazu verknurrt, zuhause zu bleiben. «Ich habe nicht viel an Trainingsmaterial zuhause – einen Hometrainer, mehr nicht. Darum bin ich viel joggen gegangen, um in Form zu bleiben.»
100 Kilometer in gut 10 Stunden
Wobei joggen stark untertrieben sein dürfte. Irgendwann lief Ragettli auf seiner Joggingstrecke seinen ersten Marathon. «Darauf war ich schon stolz», sagt er. Später legte er innerhalb einer Woche 100 Kilometer zurück. «Und dann habe ich mir das Ziel gesetzt, die 100 Kilometer am Stück zu laufen.»
Am Freitag war es soweit. In 10 Stunden und 7 Minuten quälte sich der Bündner über die Mega-Strecke – und das an einem freien Wochenende in der Spitzensportler-Rekrutenschule. Was nichts damit zu tun habe, dass er in Magglingen nicht genug geschlaucht würde, sagt Ragettli und grinst. «Wir haben hier ein ziemlich strenges Training. Ich wusste, dass ich den 100-Kilometer-Lauf an einem normalen Wochenende nicht schaffen würde. Aber der Termin an Auffahrt hat gepasst: Am Donnerstag habe ich relaxed und am Freitag habe ich attackiert.»
Mit Erfolg. «Das beste Gefühl überhaupt!», befindet Ragettli nach vollbrachter Tat. Und dann? «Als erstes ging es zu McDonald's. Ich glaube, das hatte ich mir verdient.»
Gut möglich, dass es nicht der letzte grosse Lauf des Bündners war. «Laufen ist ein Hobby von mir geworden», konstatiert er. Noch weiter nach vorne wird ihn das im Winter allerdings kaum katapultieren. «Für meine Grundlagenausdauer ist es sicher gut. Aber ich weiss nicht, ob es mir fürs Freeski etwas bringt. Nur dass es Spass macht, das kann ich definitiv sagen.»