Sölden und Lara Gut-Behrami. Das ist nicht irgendeine Beziehung. Mit 17 Jahren startete sie erstmals am Rettenbachferner. Nun ist sie mit 33 fast doppelt so alt wie damals, Rekordsiegerin (2013, 2016 und 2024) und spürt die Strapazen. «Ich bin noch müde von der letzten Saison. Dazu war ich im letzten Monat krank und das Knie machte Probleme.» Dennoch muss man in Sölden immer mit Gut-Behrami rechnen. Doch welche waren die speziellsten Episoden der Tessinerin im Ötztal? Blick wirft einen Blick in ihr Sölden-Archiv.
Glanzvolle Premiere! «Auf den Spuren von Hingis»
Zwei punktelose Weltcup-Riesenslaloms hat Lara Gut auf dem Buckel, als sie 2008 erstmals in Sölden startet. Ihr unglaubliches Talent ist dennoch frappant. Und das Greenhorn aus dem Tessin zeigt, was es kann. Platz 5. Und das mit Startnummer 37! Dabei war ihr Rücken tags zuvor wegen des vielen Trainings völlig blockiert gewesen. «Doch ich kann tot sein. Wenn ich für ein Rennen am Start stehe, spüre ich nichts von Müdigkeit», sagt Gut glücklich.
Für Blick ist nach dem Rennen klar: «Gut wandelt auf den Spuren der Schweizer Jahrhundert-Talente Martina Hingis und Anita Weyermann.» Und Ski-Legende Bernhard Russi prophezeit: «Lara ist ein Geschenk für den Schweizer Ski-Sport.» Und was macht Gut? Sie verabschiedet sich tags darauf für eine Woche Ferien mit der Familie in Ägypten am Roten Meer.
Rückkehr nach Albtraum! Aber die Rennmaschine stockt
Im September 2009 renkt sich Gut die Hüfte aus. Sie verpasst einen ganzen Winter inklusive Olympia 2010 in Vancouver. In Herbst kehrt sie zurück. Wo? Klar, in Sölden. «Ich habe das Adrenalin vermisst», sagt sie vor dem Rennen. Und: «Ich bin eine Rennmaschine!»
Bloss: Die Maschine ist nicht mehr gut geölt. Rang 25. «Ich muss aufhören zu denken und mehr attackieren», blickt sie voraus. Das gelingt nicht wirklich, Gut erlebt im Riesenslalom eine Saison zum Vergessen.
Gletscherkönigin! Und ihr italienischer Freund schaut zu
Erstmals überhaupt gewinnt 2013 eine Schweizerin in Sölden. Blick nennt Gut-Behrami daraufhin «Gletscherkönigin». Ebenfalls besonders: Erstmals fiebert Italiens Ex-Skirennfahrer Simone Eydallin mit seiner Herzensdame mit.
«Mehr gibt es dazu nicht zu sagen», so Gut nach ihrem grandiosen Sieg. Weil sie keine gemeinsamen Fotos haben möchte, winkt sie Eydallin nur zu – sie möchte ihr Liebesglück nicht mit der ganzen Welt teilen.
Schlitzohren! Gut legt sich mit Verband an
Missachtung von Kleidervorschriften und Kritik an Frauen-Cheftrainer: 2010 wurde Gut von Swiss-Ski für zwei Rennen gesperrt. Doch auch danach rumort es. Zum Beispiel vor dem Sölden-Auftakt 2014. Gut verteidigt ihren Alleingang im Privatteam nicht nur, sondern attackiert den Verband: «Ich bin nicht wirklich einverstanden damit, dass ich praktisch kostenlos für sie fahre und sie – auch dank meiner Resultate – ziemlich viel verdienen.»
Sie möchte nicht mehr das ganze Sommertraining selbst berappen. Aber: «Es sind halt schon ein bisschen Schlitzohren beim Verband.» Alpin-Direktor Rudi Huber bemüht sich um Deeskalation – er möchte seine beste Fahrerin keinesfalls vergraulen. Und im Rennen? Da gerät sie auf den Innenski und fällt aus.
Deklassiert! Gut erteilt Shiffrin eine Lektion
Im Jahr 2016 reist Gut als Ski-Königin ins Ötztal. Im Winter zuvor hat sie das geschafft, worauf die Ski-Fans bei den Frauen seit Vreni Schneider 1995 warten mussten – ein Schweizer Sieg im Gesamtweltcup. Und siehe da: Gut gewinnt nicht nur, sondern demontiert die Konkurrenz. 1,42 Sekunden schneller ist sie als die zweitplatzierte Mikaela Shiffrin (USA).
Im Zielraum schütteln viele ungläubig den Kopf. «Lara fuhr wie von einem anderen Stern», erinnert sich der langjährige Sölden-Rennleiter Rainer Gstrein.
Kreuzbandriss! Der Marathon beginnt schlecht
Im Februar 2017 reisst Gut-Behramis Kreuzband bei der WM in St. Moritz. «Mein Körper hat Stopp gesagt», erklärt sie. In Sölden steht sie im Herbst aber bereits wieder am Start – und scheidet früh aus.
«Immerhin hat das Knie nicht geschmerzt», meint sie. Zu diesem Zeitpunkt weiss Gut-Behrami nicht, dass sie im Riesenslalom zwei Jahre brutal unten durch muss.
Heirat! Und Schluss mit Social Media
Am 1. Juli 2018 heiratet Gut den Schweizer Nati-Star Valon Behrami. Es ist Märchen-Hochzeit auf dem Monte Brè. Doch nun dies: Kurz vor Sölden löscht sie ihre Accounts auf Twitter und Instagram. «Wir sind uns bewusst, dass das auf uns gerichtete Scheinwerferlicht zu unserem Leben gehört. Wir wissen aber auch, dass es sich lohnt, so zu leben, wie es uns gefällt.»
Die Fotos im Hochzeitskleid, vor einem Ferrari oder beim innigen Kuss mit Behrami sind im Internet dennoch weiterhin zu finden. Im Rennen gibts Platz 14 mit 3,48 Sekunden Rückstand – der Vorbote einer sieglosen, miserablen Saison.
Papa Pauli! Gut-Behrami kämpft neben der Piste
Bei der Ski-WM 2019 in Are (Sd) fährt Gut-Behrami, wie sie nun auch in den offiziellen FIS-Blättern heisst, weit an den Medaillen vorbei. Eine Folge? Der Verband stellt ihren Vater und Coach Pauli nicht mehr auf Mandatsbasis ein – Gut-Behrami bezahlt ihn selbst.
Swiss-Ski CEO Markus Wolf bevorzugt offensichtlich den Weg der normalen Kaderstrukturen: «Lara hat an Grossanlässen noch nie eine Goldmedaille gewonnen. Sie weiss – hart gesagt – also nicht, wie das geht.» Gut-Behrami hält ihrem Vater die Stange – Rang 8 in Sölden.
Corona-Schock! Angst und Podestplatz
Im Oktober 2020 steht das erste Geisterrennen in der Geschichte des Weltcups an. Keine Zuschauer, kein Bier, keine Party – in Sölden ist es still wie noch nie. «Wir alle haben Angst. Es liegt an uns, verantwortungsvoll zu handeln und uns und andere zu schützen», sagt Gut-Behrami. Sie wird Achte.
Übrigens: Ein Jahr später zögert die Tessinerin lange, ehe sie sich impft – sie hat Sorgen wegen Langzeitfolgen. Weil die Einreise in die USA aber nur so möglich ist, lässt sie sich doch noch impfen.
Fluor-Chaos und Mens-Sieg! Gut-Behrami offen wie selten
Nach der Öko-Diskussion rund um die Bagger am Gletscher bleibt die Sölden-Ausgabe auch kurz vor den Rennen explosiv. Diesmal gehts um das neue Fluorwachs-Verbot. Gut-Behrami befürchtet gar Sabotage! «Jemand könnte beim Vorbeilaufen die Ski mit einem Fluor-Spray kontaminieren.» So weit kommt es nicht, allerdings bleibt Norwegens Ragnhild Mowinckel nach dem ersten Lauf beim Fluor-Test hängen und weint verzweifelte Tränen.
Und Gut-Behrami? Sie macht den Sölden-Hattrick mit einer Glanzleistung perfekt. Und bricht danach mit einem Tabu: «Ich habe meine Menstruation, bin müde und habe Rückenweh. Ich spüre das alles viel mehr als früher.» Offene Worte, für die sie auch von den Gegnerinnen gelobt wird.
Bittere Absage! Tränen bei Interview
2024 absolviert Lara Gut-Behrami die Besichtigung und fällt danach einen bitteren Entscheid. Sie verzichtet auf den Start – weil sie sich nicht bereit dazu fühlt. Der Grund liegt in der Vorbereitung. Im September kassiert sie erst einen Schlag aufs Knie, hat danach Schmerzen und wird dann krank, kann drei Wochen nicht trainieren. «Ich habe fast alle Muskeln verloren», sagt Gut-Behrami. Und dann meldet sich das Knie wieder. Der Schmerz ist nicht gross, aber ihr fehlt das Vertrauen.
Und das zwingt sie am Renntag zu diesem Schritt. «Es ist hart, auf den Start zu verzichten. Denn ich liebe dieses Rennen», sagt Gut-Behrami mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen. Trotzdem ist es vernünftig. Das weiss auch Gut-Behrami: «Ich will nicht, dass ich blöd stürze oder mich verletze. Da ist mir das Risiko zu gross.»