BLICK: Urs Lehmann, 2008 wurden Sie Swiss-Ski-Präsident. Damals sagten Sie, die Schweiz müsse wieder die Skination Nummer 1 werden. Man hat nur müde gelächelt.
Urs Lehmann: Für mich war immer klar, dass ein Land mit dem Potenzial und den Möglichkeiten der Schweiz den Anspruch haben muss, Skination Nummer 1 zu werden. Daran habe ich immer festgehalten. Eine andere Zielsetzung kann es für uns gar nicht geben.
Genau vor einem Jahr und ebenfalls nach rund der Hälfte aller Rennen lag die Schweiz im Nationenklassement 2804 (!) Punkte hinter Österreich. Jetzt haben wir mehr als 200 Punkte Vorsprung. Das hat nicht nur mit dem Rücktritt von Marcel Hirscher zu tun, oder?
Nein. Den Hirscher-Effekt gibt es sicher, aber der hat nicht mal zur Hälfte mit diesem Umschwung zu tun. Er hat ja nicht 3000 Punkte bis Mitte Saison geholt.
Was ist denn passiert?
Die Teamleader funktionieren. Und dahinter sind wir deutlich breiter aufgestellt. Die fehlende Breite war jahrelang unser grösstes Problem. Heute fahren fünf, sechs Leute in der Abfahrt oder im Slalom in die Punkteränge. Und auch viele Junge haben einen grossen Schritt vorwärts gemacht. Es macht derzeit sehr viel Freude.
Warum läuft es plötzlich wie am Schnürchen?
Natürlich ist das auch eine Momentaufnahme, und natürlich haben wir derzeit auch das notwendige Wettkampfglück. Aber es gibt schon griffige Gründe.
Zum Beispiel?
Seit ich vor zwölf Jahren Präsident wurde, haben wir das Budget verdoppelt. Natürlich haben wir auch immer mehr Sportarten und Wettbewerbe. Aber wir haben im alpinen Bereich aufgerüstet, auch in den Trainerstab investiert. Als wir 2011 die Slalomgruppe geschaffen haben, da haben alle gestöhnt, was das wieder kostet. Heute sehen wir das Ergebnis. Es funktioniert nur so. Mit totaler Professionalität.
Was sagen Sie zum Triumph von Beat Feuz?
Einmal mehr kann auch ich nur den Hut ziehen. Es gibt Menschen, die haben Selbstvertrauen. Und die Steigerungsform von dem ist das Urvertrauen, das Beat Feuz ausstrahlt. So einen Sportler, der so in sich ruht, habe ich noch nie erlebt.
Die Lauberhornrennen sind auch in diesem Jahr ein Skifest vor grossartiger Kulisse. Ein Werbespot für diese Rennen im Berner Oberland. Gleichzeitig streiten sich der Skiverband und die Organisatoren vor Gericht. Schon irgendwie seltsam?
Wir haben keine Klage eingereicht. Ich selber bin ein totaler Lauberhorn-Fan und hoffe, dass es diese Rennen noch lange gibt. Aber wir können die finanziellen Forderungen von Wengen einfach nicht erfüllen.
Warum nicht?
Zu Skifesten, wie wir sie am Lauberhorn jetzt feiern, gehören erfolgreiche Schweizer Athleten. Dafür müssen wir als Verband die Basis schaffen. Bei uns fliesst jeder Franken in den Sport. Und auch wir müssen jeden Franken zweimal umdrehen. Darum macht es keinen Sinn, sich vor Gericht zu streiten. Wir sitzen im gleichen Boot und sollten gemeinsam rudern.
Zermatt hat Interesse angemeldet, die Rennen von Wengen zu übernehmen.
Das ist für uns aktuell kein Thema. Wir wollen uns mit Wengen einigen und einen gemeinsamen Weg finden.
Wie geht es weiter?
Wir müssen gemeinsam versuchen, mehr Geld zu generieren für das Lauberhorn und das gesamte System des Skisports. Und hier müssen wir, auch gemeinsam, die Politik und die öffentliche Hand vermehrt in die Pflicht nehmen. Aus dem Lotteriefonds beispielsweise fliessen knapp 80 Prozent der Gelder in die Kultur und rund 20 Prozent in den Sport. Wir müssen jetzt auch mit der Politik das Gespräch suchen. Eine Defizitgarantie des Kantons Bern für Adelboden und Wengen wäre wünschenswert. Und wäre angesichts der Bedeutung dieser Anlässe meiner Meinung nach auch vermittelbar.
Wer muss denn da vorstellig werden?
Es geht auch hier nur gemeinsam. Aber die Organisatoren der Rennen müssen konsequent den Lead übernehmen. Miteinander, nicht gegeneinander.