Swiss-Ski-Boss Lehmann vor WM zuversichtlich
«Wir haben in acht Rennen Medaillenchancen»

Seit zehn Jahren ist Urs Lehmann Präsident von Swiss-Ski. Und es scheint, als habe der Abfahrtsweltmeister von 1993 das Glück bei Grossanlässen zuletzt auch als Verbandsboss gepachtet.
Publiziert: 04.02.2019 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2019 um 09:54 Uhr
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Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann traut seinen Athleten in Are einiges zu.
Foto: Sven Thomann|Blicksport

BLICK: Urs Lehmann, bei der Heim-WM in St. Moritz gab es sieben Medaillen, bei Olympia in Südkorea fünfmal Edelmetall. Wie viele Medaillen holen wir in Are?
Urs Lehmann: Diese Frage beschäftigt die Menschen ja vor jedem Grossanlass. Und wenn man dann eine Zahl nennt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie falsch ist. Darum nenne ich keine Zahl.

Nimmt man die bisherigen Podestplätze dieser Saison zum Massstab, dann darf man mit zwei bis drei Medaillengewinnen rechnen.
Dieses statistische Spielchen sagt mir wenig. Grossanlässe ­haben eigene Gesetze.

Stimmt. Sie sind in Morioka auch ohne vorherigen Podestplatz Weltmeister geworden.
Das bestätigt ja meine These (schmunzelt). Und wir haben bei den letzten Grossanlässen gesehen, dass wir Athleten ­haben, die im entscheidenden Moment bereit sind.

Bei der letzten WM in Are gab es 2007 sechs Medaillen. Damit könnten Sie wohl gut leben.
Ja, klar. Aber wie gesagt, ich möchte mich auf keine Zahl festlegen. Ich gehe immer davon aus, in welchen Rennen wir eine reelle Medaillenchance haben.

Und wo sehen Sie die?
Bei den Männern haben wir in der Abfahrt, im Super-G, in der Kombination und im Slalom gute Möglichkeiten. Mit Marcel Odermatt und Loïc Meillard gibt es auch im Riesenslalom Hoffnung. Bei den Frauen haben Wendy Holdener im Slalom und in der Kombination sowie Lara Gut-Behrami in den Speed-Wettbewerben die grössten Chancen. Und im Teamwettbewerb sind die Chancen gross. Das heisst: In acht von elf Wettbewerben sehe ich die Medaillenchancen gut bis sehr gut.

Das wäre im Idealfall eine bessere Ausbeute als bei der Heim-WM 2017.
Ich sage ja, dass dies Chancen sind. Beim Skisport ist es wie beim Fussball: Nicht jede Chance führt zu einem Tor.

 

 

Dann haben Sie keine Angst vor einer Nullnummer wie Bormio 2005?
Da müsste schon alles komplett schieflaufen. Man hat mich nach Bormio ins Präsidium geholt, um etwas zu bewegen. Und ich darf behaupten, dass wir einiges bewegt haben. Wir haben uns als Skination Nummer zwei hinter Österreich wieder etabliert und wir haben wieder eine Basis, die einen solchen Tiefschlag wie 2005 praktisch ausschliesst.

Dann nehmen Sie das Glück, dass Sie 1993 gehabt haben, mit nach Schweden?
Für das Glück bin ich nicht zuständig. Wir beim Verband müssen einfach Rahmenbedingungen schaffen, damit solche Exploits möglich sind. Bei der ganzen Medaillengeschichte darf man nicht vergessen, dass es mit Marcel Hirscher und Mikaela Shiffrin einfach zwei absolute Ausnahmeathleten gibt, die im Normalfall schon einige Medaillen für sich beanspruchen.

Was für eine WM erwarten Sie stimmungsmässig?
Ich bin 1988 in Are mit 19 Jahren eines meiner ersten Welt- cuprennen gefahren. Auf der Piste, die Bernhard Russi zwei Jahre davor gebaut hat. Ich habe mich schon damals in diesen idyllischen Ort direkt an einem See verliebt. Die Landschaft ist faszinierend. Und der Zug fährt in Are noch mitten durchs Dorf. Die Häuser da erinnern mich an Michel aus Lönneberga oder an Nils Holgersson. Es tönt fast kitschig, aber für mich hat Are etwas Märchenhaftes.

Weniger märchenhaft ist, dass in der Schweiz die Anzahl Skilager innerhalb von fünf Jahren von 2700 auf 2000 gesunken ist. Bringen wir die Kinder nicht mehr in den Schnee?
Das ist in vielen Regionen tatsächlich ein Problem. Es gibt natürlich junge Menschen, die in ihrer Familie mit dem Skisport kaum mehr in Berührung kommen. Hier sind wir aber schon sehr aktiv, da gibt es ganz viele Initiativen. Und ganz allgemein waren die Zahlen im Wintertourismus in den letzten zwei Jahren ja gut. Aber mich plagen in Zusammenhang mit der Bedeutung des alpinen Skisports ganz andere Sorgen.

Zum Beispiel?
Dass wir seit Jahren das Gleiche machen und das Produkt Ski-Weltcup nicht weiterentwickeln. Wir müssen uns bewegen, sonst verlieren wir an Bedeutung.

Man hat ja jetzt die Parallel-Rennen eingeführt.
Ja, aber es gibt wieder drei Formate. Den City-Event, den Parallel-Riesen und den Parallel-Slalom. Das versteht doch kein Mensch mehr. Und dafür will man die Kombination abschaffen.

Würden Sie die Kombination beibehalten?
Wir haben uns immer für die Kombination eingesetzt und haben da auch schöne Erfolge gefeiert. Ich sage: Wenn man ein bestehendes Format durch ein anderes ersetzen will, muss es ein Schritt nach vorne sein. Das ist momentan nicht der Fall, da hat man einiges falsch gemacht.

Wer?
Der Internationale Skiverband FIS. Da muss viel mehr Dynamik hineinkommen. Da müssen Leute entscheiden, die auch von Vermarktung Ahnung haben, nicht nur die Techniker. Uns von Swiss-Ski, wie auch mich persönlich, ärgert es sehr, wie das jetzt läuft.

Was gibt es denn sonst noch für Möglichkeiten?
Ganz viele. Schauen Sie nur, was zum Beispiel rund um die Formel E passiert. Da kann sich der Zuschauer ins Rennen einloggen und virtuell mitfahren. Oder man zeigt Bilder aus der Fahrerperspektive. Es gibt neue Technologien, es gibt im Rahmen der Digitalisierung ganz viele neue Möglichkeiten. Aber in diesem Bereich schlafen wir. Und das tut mir in der Sportlerseele weh.

Es heisst, Sie hätten die Ambition FIS-Präsident Gian-Franco Kasper abzulösen?
Gian-Franco ist bis 2022 gewählt. Alles andere ist derzeit Spekulation.

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