Daniel Yule über seine Taktik für den Wengen-Slalom
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Er will zwei gute Läufe zeigen:Daniel Yule über seine Taktik für den Wengen-Slalom

Slalom-König Yule findet Greta gut
«Ich habe seit zwei Jahren keine Kleider gekauft»

Slalom-König Daniel Yule ist ein aussergewöhnlicher Zeitgenosse. Im Interview erklärt er, was ihn an Greta Thunberg beeindruckt, warum er seit zwei Jahren keine Kleider gekauft hat und weshalb seine kindliche Begeisterung für Fussball-Profis abgeklungen ist.
Publiziert: 19.01.2020 um 08:49 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2020 um 12:42 Uhr
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Daniel Yule ist ein aussergewöhnlicher Zeitgenosse.
Foto: Sven Thomann
Marcel W. Perren (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Daniel, nach Ihren Triumphen in Madonna di Campiglio und Adelboden sind Sie letzten Mittwoch beim mit 40'000 Franken dotierten Show-Slalom in Crans-Montana ausgeschieden. War ihr Tank leer?
Daniel Yule:
Ich habe nach den Siegen unglaublich viele schöne Reaktionen von Ski-Fans erhalten. Gleichzeitig war der Rummel um meine Person nach Adelboden zum Teil schon sehr anstrengend. Vor der Exhibition in Crans-Montana habe ich auf dem Fussweg zur Hangbesichtigung ungefähr zehn Minuten gebraucht, um zehn Meter vorwärts zu kommen. Der Weg zum Start hat mehr Energie gekostet als der Einsatz im Rennen.

Am Lauberhorn wird der Trubel um Ihre Person noch grösser sein. Bereitet das Ihnen Sorgen?
Grundsätzlich ist es mir lieber, dass sich die Leute für mich interessieren, als wenn ich ihnen egal wäre. Zudem geben die Fans mit einer tollen Stimmung wie in Adelboden ja auch mir viel Energie. Trotzdem muss ich schauen, dass ich vor einem so anspruchsvollen Rennen wie in Wengen nicht zu viel Power neben der Piste verliere. Ich muss die gute Mischung finden.

Fällt es Ihnen schwer, Nein zu ­sagen?
Ja. Okay, bei Medienanfragen fällt mir das Nein ab einem gewissen Zeitpunkt nicht so schwer. Beim letzten Weltcupfinal in Andorra war ich mit Felix Neureuther auf dem Sessellift. Er sagte: «Daniel, wenn ich dir ein Tipp geben darf: Nimm dir immer Zeit für die Kinder.» Da hat er vollkommen recht, ich werde nie einen Wunsch eines Mädchens oder Buben ablehnen.

Auch dann nicht, wenn Sie die Wünsche in der Vorbereitung auf ein wichtiges Rennen erreichen?
Dann sage ich den Kindern, dass sie nach dem zweiten Lauf nochmals zu mir kommen sollen.

Welchen Sportler haben Sie als Kind bewundert?
Die Skifahrer gehörten nicht zu meinen Idolen. Ich war ein riesengrosser Fan von David Beckham. Ich habe auf dem kleinen Rasen von meinem Elternhaus ein Tor aufgestellt, und wenn ich dort zu einem Freistoss angetreten bin, habe ich mir vorgestellt, dass ich David Beckham im Old Trafford in Manchester bin. Heute bin ich aber kein grosser Fussball-Fan mehr.

Warum?
Viele Skirennfahrer verdienen sehr wenig Geld, obwohl sie in den Top 30 der Welt platziert sind und einen gigantischen Aufwand betreiben müssen. Deshalb kann ich mich schlecht mit einem Fussballer identifizieren, der bei Liverpool sechs Millionen im Jahr verdient, obwohl er fast nur auf der Bank sitzt. Marcel Hirscher hat auch viel Geld verdient, aber er hat seine bodenständige Art nie verloren. Bei einigen Fussballern habe ich aber das Gefühl, dass sie auf einem anderen Planet leben.

Vor der letzten WM haben Sie sich ähnlich kritisch über FIS-Präsident Gian Franco Kasper geäussert, weil er den Klimawandel in Frage gestellt hat. ­Haben Sie sich mit ihm aus­gesprochen?
Ich habe ihn nach meiner Wahl zum Athletensprecher kurz in einem Meeting in Dubrovnik gesehen, zu einem persönlichen Gespräch kam es aber nicht.

Möchten Sie sich einmal länger mit ihm unterhalten?
Jein. Auf der einen Seite stelle ich mir ein Gespräch mit ihm schon spannend vor, weil er schon so viele Jahre für den Skisport um die Welt reist und deshalb sicher viele interessante Geschichten zu erzählen hat. Andererseits bin ich überzeugt, dass Herr Kaspers Zeit in dieser Funktion vorbei ist. Er hat seinen Zenit überschritten. Ich will damit nicht sagen, dass er nichts Gutes für diesen Sport geleistet hat. Aber jetzt ist die Zeit einfach reif für einen neuen Präsidenten.

Wäre Urs Lehmann der ideale Kasper-Nachfolger?
Ich weiss zwar nicht, ob Urs für dieses Amt kandidieren wird. Und ich kenne die Kandidaten aus dem Ausland nicht persönlich. Aber ich könnte mir Urs als Präsident des internationalen Skiverbandes gut vorstellen. Ich habe ihn als Swiss Ski-Präsident schätzen gelernt, als Athlet kann man mit ihm sehr gut reden. Zudem bringt er als CEO einer ziemlich grossen Firma natürlich auch sehr viel Erfahrung als Businessman mit. Wir brauchen ganz dringend einen Präsidenten, der die Athleten und das Geschäft fördert. Es ist ziemlich einfach: Ohne gute Athleten wird die FIS nicht gut leben, aber ohne eine gut funktionierende FIS können auch wir Fahrer nicht überleben.

Sie haben im letzten Jahr rund 10'000 Franken für den Klimaschutz gespendet. Was halten Sie von Greta Thunberg?
Es beeindruckt mich, wie sie sich mit knapp 16 Jahren in der Öffentlichkeit präsentiert. Okay, in gewissen Punkten verhält sie sich vielleicht zu extrem. Aber wenn man für eine gute Sache die mediale Aufmerksamkeit erlangen will, muss man eben ein bisschen extrem und polarisierend sein. Greta kann mit ihrer Jugend sicher mehr Menschen für den Klimaschutz gewinnen als betagte Forscher, die auf eine langweilige Art irgendwelche Statistiken vortragen.

Was tragen Sie neben Ihren Geldspenden zum Klimaschutz bei?
Ich wähle für meine Ferien keine zu exotischen Destinationen, ich esse viel weniger Fleisch, ich habe seit zwei Jahren keine Kleider mehr gekauft, den Riss an meinen Pantoffeln habe ich mit Klebeband fixiert, damit ich keine neuen Hausschuhe kaufen muss. Und auf dem Dach meines Elternhauses sind Solarzellen fixiert. Ich weiss, dass sind nur kleine Schritte zu einer besseren Welt. Aber es ist ein bisschen wie im Skisport, da war ich auch nicht von einem Tag auf den anderen eine Sekunde schneller. Vielleicht bin ich einigen Jahren ein strikter Veganer, der sich ausschliesslich mit dem E-Bike fortbewegt.

Ein anderes Thema: Mit Ramon Zenhäusern gibt es einen zweiten Siegfahrer im Schweizer ­Slalom-Team! Führt das zu Konflikten?
Nein. Wir sind beide gross genug, um zu wissen, dass jeder den anderen schlagen will. Als Ramon in Zag­reb Zweiter geworden ist, habe ich mich zwar für das Team, für unsere Betreuer gefreut. Aber mir persönlich bringt ein Erfolg von Ramon nichts. Es fuchst mich, wenn ich 27. werde, während ein Teamkollege, der die genau gleichen Trainingsbedingungen wie ich hatte, auf dem Podest steht. Aber ihn wird es als Vierter von Adelboden genau so gefuchst haben, dass er mich nicht geschlagen hat. Neben der Piste gehen wir sehr kameradschaftlich miteinander um, haben aber privat keinen Kontakt.

Wer ist Ihr bester Kumpel im Skizirkus?
Justin Murisier. Von ihm konnte ich als Mensch wie als Rennfahrer enorm profitieren. Wir waren auch schon gemeinsam im Urlaub.

Was muss eine Frau mitbringen, damit Sie sich in sie verlieben?
Schwierig zu sagen, weil ich sie bis jetzt nicht gefunden habe. Aber sie muss sicher sportlich sein. Keine Spitzensportlerin, aber sie darf bei einer Wanderung an einem Sonntag nach kurzer Zeit nicht schwer schnaufen und jammern. Zudem muss sie eine klare Meinung haben. Wenn ich sie frage, was sie zu Abend essen möchte, darf sie nicht «das ist mir egal, du darfst entscheiden», sagen. Dann wäre sie nicht die Richtige für mich.

Persönlich: Daniel Yule

Als Sohn schottischer Eltern wuchs Daniel Yule (26) in La Fouly VS auf. Er holte bei den Junioren 2014 WM-Bronze im Slalom. 2016 sorgte der ehemalige Wirtschaftsstudent im Weltcup erstmals für Furore, als er in St. Moritz nach dem 1. Lauf führte, danach Elfter wurde. Im Dezember 2018 holte er für die Schweiz den ersten Slalom-Sieg seit 11 Jahren. Nach seinen Triumphen in Madonna di Campiglio und Adelboden ist er der einzige Schweizer, der im Weltcup drei Slaloms gewinnen konnte.

Als Sohn schottischer Eltern wuchs Daniel Yule (26) in La Fouly VS auf. Er holte bei den Junioren 2014 WM-Bronze im Slalom. 2016 sorgte der ehemalige Wirtschaftsstudent im Weltcup erstmals für Furore, als er in St. Moritz nach dem 1. Lauf führte, danach Elfter wurde. Im Dezember 2018 holte er für die Schweiz den ersten Slalom-Sieg seit 11 Jahren. Nach seinen Triumphen in Madonna di Campiglio und Adelboden ist er der einzige Schweizer, der im Weltcup drei Slaloms gewinnen konnte.

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