Draussen liegt Schnee, drinnen tropft der Schweiss. Wendy Holdener (30) kämpft nach ihrer Sprunggelenkfraktur wie eine Löwin für ihr Comeback. «Ich würde gerne in diesem Winter noch Rennen fahren. Aber ich mache es nur, wenn ich keine Schmerzen mehr habe. Meine Chancen stehen 50:50.»
Wir treffen Holdener in der neuen Trainingshalle Lärchenplatz in Magglingen BE. Hier trainiert sie seit Wochen unter der Leitung von Jan Seiler. Der Krattrainingsexperte der Eidgenössischen Hochschule für Sport erklärt Holdener genau, was sie zu tun hat – diesmal muss sie mit einer Langhantel Gewichte drücken und ziehen. Besonders ist das für Holdener nicht, nach 13 Jahren im Ski-Zirkus gibt es kaum eine Übung, die sie nicht schon einmal gemacht hat.
Frauen-Slaloms schaut sie nicht live
Anders ist jetzt aber trotzdem alles. Warum? Holdeners linker Fuss ist in einem Vakuumkissen verpackt, dazu wird er von einer Plastik-Orthese geschützt. «Am nächsten Mittwoch gehe ich zum Doktor. Dann wird man sehen, wie es in meinem Sprunggelenk drinnen aussieht.»
Noch denkt Holdener nicht ans Skifahren. Oder doch? «Die Rennen der Männer schaue ich mir im Fernsehen an. Jene der Frauen selten. Als zuletzt der Nachtslalom in Flachau auf dem Programm stand, konnte ich mich nicht überwinden. Es nervt mich, dass ich nicht selbst dabei sein kann.»
Die Weltmeisterin muss sich gedulden – ob sie will, oder nicht. Eine Platte und einige Schrauben fixieren den unteren Teil des Wadenbeins, dazu muss das gerissene Syndesmoseband heilen. Im Fachjargon leidet sie unter einer Weber C Fraktur.
Doch was ist genau an jenem ominösen 11. Dezember 2023 beim Slalom-Training in Pozza di Fassa (It) passiert? «Ich habe bei einem Wechsel die Ski gekreuzt und bin geradeaus ins Netz geflogen», so Holdener. Ihre Bindung löste beim Aufprall nicht. Ihr linker Fuss verdrehte, die Ski waren zerstört.
Zuerst hatte die Schwyzerin auch Knieschmerzen, die Angst vor einem Kreuzbandriss erwies sich später als unbegründet. «Es war der heftigste Sturz meiner Karriere. Zwei Wochen lang war ich danach in einem Loch, hatte auf nichts Lust. Doch dann habe ich begonnen, nach vorne zu schauen», erzählt sie.
Besonders bitter: Wäre das B-Netz nicht gleich neben ihrem ausgesteckten Slalom-Lauf aufgestellt gewesen, hätte sich Holdener gerettet – davon geht sie aus. «Ich hätte zwei Meter mehr Platz gebraucht. So war es halt Pech», sagt sie.
Holdener freut sich auf die Streif
Zurück nach Magglingen. Holdener zeigt nach dem Kondi-Training die Narbe am Fussgelenk, sie wird massiert. «Das tut gut», sagt sie. Eine Rückkehr auf die Ski ist noch kein Thema. «Zuerst muss ich wieder laufen lernen», meint sie schmunzelnd.
Dann nimmt Holdener die Krücken, verabschiedet sich und sagt: «Am Wochenende schaue ich mir die Rennen der Männer in Kitzbühel auf dem Sofa an – darauf freue ich mich.»