Einen grösseren Sportstar hatte Österreich nie. Dreimal gewann Toni Sailer (†74) Olympiagold, sieben Weltmeistertitel holte der Mann vom Kitzbüheler Skiclub.
Ein Mädchenschwarm war Sailer, Filmstar, als Schlagersänger versuchte er sich, nachzuhören auf 18 Schallplattenaufnahmen. Cheftrainer und Direktor beim österreichischen Verband wurde er, später Chef der Hahnenkammrennen von Kitzbühel.
1999 wurde er in Österreich zum Jahrhundertsportler gewählt, 2009 starb er an Krebs.
Jetzt wird an Sailers Denkmal gekratzt. Der Vorwurf: Sailer soll im März 1974 im polnischen Zakopane eine 28-jährige Prostituierte vergewaltigt haben. Das zeigen Recherchen der österreichischen Medien «Standard», «Dossier» und «Ö1».
Sailer, damals ÖSV-Direktor, soll betrunken gewesen sein, als er auf Einladung zweier Mitarbeiter einer italienischen Skischuhmarke deren Zimmer im Hotel Sport betreten habe. Dort soll er Janina S., eine sogenannte «Nebenerwerbsprostituierte», wie es in den Akten heisst, vergewaltigt haben.
Die Frau erstattete Anzeige, Sailer wurde verhaftet. Nur wenige Tage später kam der damals 39-Jährige wieder frei – die österreichische Botschaft soll Druck gemacht haben.
Und im im Winter 1974, kurz nach einem Besuch des polnischen Präsidenten in Wien, wird das Verfahren «aus Rücksicht auf Mangel an gesellschaftlichem Interesse» eingestellt, nachdem der Straftatbestand von «Notzucht» auf «Körperverletzung» herabgestuft worden war. Aus den Akten geht hervor, dass offenbar auf diplomatischer Ebene dafür gesorgt worden war, dass der Fall erledigt wird.
Die mutmasslich vergewaltigte Polin hätte nun noch als Privatklägerin aktiv werden können, was sie aber nicht tat. Die Frau war für die Journalisten heute nicht mehr auffindbar.
Der Fall war in den 1970er-Jahren bereits Medienthema, der deutsche «Stern» widmete der Affäre einen Artikel. Sailer bestritt die Vorwürfe, der österreichische Verband erklärte später, Sailer habe sich «keiner strafbaren Handlung schuldig gemacht».
Jetzt wird klar: So einfach war es wohl nicht. (eg)