Blick: Tina Weirather, sind Sie als SRF-Expertin bei Ragnhild Mowinckels Fahrten objektiv?
Tina Weirather: Sicher. Wir sind gute Freundinnen, aber deshalb schone ich sie nicht (schmunzelt).
Ragnhild Mowinckel: Was? Ich dachte immer, du würdest nur Gutes über mich erzählen (lacht).
Am 19. Dezember 2021 legten Sie Ihre Objektivität ab, Tina.
Weirather: Ragnhild fuhr beim Super-G in Val d’Isère als Zweite über die Ziellinie, es war ihr erster Podestplatz nach einer schweren Knieverletzung. Das war so emotional, dass ich weinen musste.
Mowinckel: Das war so süss …
Weirather: Ich konnte nicht anders.
Ist Ihnen das noch einmal passiert?
Weirather: Als Michelle Gisin im letzten Winter beim Riesenslalom in Courchevel Dritte wurde, hat es mich auch erwischt. Sie war den ganzen Sommer wegen des Pfeifferschen Drüsenfiebers ausser Gefecht, konnte nicht trainieren. Und dann so etwas – es war unglaublich.
Sie kennen viele Fahrerinnen persönlich gut. Kann dies auch problematisch sein?
Weirather: Bislang habe ich, glaube ich, nie etwas gesagt, das eine Fahrerin nicht mochte. Manchmal weiss ich mehr, als ich erzähle – dann versuche ich, wenigstens dieses Gefühl zu vermitteln.
Wie funktioniert dies?
Weirather: Wenn ich weiss, dass eine Fahrerin in ihrem Privatleben ein Problem hat und sie fährt schlecht, bin ich nicht allzu kritisch. Ich sage vielleicht: «Man weiss nicht, ob sie sonst irgendwo Schwierigkeiten hat.» Aber ich sage nicht, was der Grund ist. Wenn, dann soll es die Athletin selbst im Interview sagen.
So wie Tina Weirather war auch Ragnhild Mowinckel oft schwer verletzt – und auch sie kämpfte sich immer wieder zurück. In diesem Winter fuhr sie bereits in drei Disziplinen in die Top 10: in der Abfahrt, im Super-G und im Riesenslalom. Sie gilt als exzellente Technikerin mit viel Mut. Mowinckel stammt aus Molde (No), ist 30 Jahre alt und holte 2018 zweimal Olympia-Silber (Abfahrt und Riesenslalom).
So wie Tina Weirather war auch Ragnhild Mowinckel oft schwer verletzt – und auch sie kämpfte sich immer wieder zurück. In diesem Winter fuhr sie bereits in drei Disziplinen in die Top 10: in der Abfahrt, im Super-G und im Riesenslalom. Sie gilt als exzellente Technikerin mit viel Mut. Mowinckel stammt aus Molde (No), ist 30 Jahre alt und holte 2018 zweimal Olympia-Silber (Abfahrt und Riesenslalom).
Ragnhild, Sie wohnen während des Winters immer wieder bei Tina und ihrem Ehemann Fabio in Vaduz.
Mowinckel: Ich fühle mich wie ein Teil ihrer Familie, sie nennen mich schon Mitbewohnerin (lacht). Es ist mein zweites Zuhause.
Die meisten Athletinnen fahren während der Rennpausen nach Hause oder übernachten in Hotels.
Mowinckel: Norwegen ist weit weg, es würde Zeit und Kraft kosten, stets dorthin zurückzukehren. Mit Tina und Fabio rede ich selten übers Skifahren – es fühlt sich an, als hätte ich Mini-Ferien. Das gibt mir viel Energie.
Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung?
Weirather: Das war in Norwegen, beim Training. Ragnhild war der aufgehende Stern am Ski-Himmel.
Mowinckel: Das würde ich nicht sagen. Ich war gerade gut genug, um erstmals im norwegischen Team dabei zu sein. Tina war der Star und ich, 18-jährig, habe versucht, mich nicht zu blamieren.
Weirather: Ragnhild war so freundlich und aufgeschlossen, dass ich meine Teamkollegin Joana Hählen fragen musste: «Du, ist das echt?» Ich konnte es kaum glauben.
Ihre Antwort?
Weirather: Sie sagte ja und dass Ragnhild die wohl netteste Person auf der ganzen Welt sei.
Mowinckel: Als ich in den Weltcup kam, war dies ein furchterregender Ort für mich, weil alle so unglaublich stark waren. Auch Tina. Aber sie war trotzdem sehr zuvorkommend, auch zu völlig unbekannten Fahrerinnen wie mich.
Sind solche Freundschaften im Ski-Zirkus häufig?
Weirather: Man hat es mit vielen gut. Aber es ist selten, dass man jemanden findet, dem man so nahesteht.
Mowinckel: Wir suchen uns nicht das Team aus, mit dem wir um die Welt reisen. Es ist einfach die Gruppe der Besten eines Landes. Die Chance ist also gross, dass man nicht mit allen super auskommt.
Weirather: Es braucht auch innerhalb des Teams Glück, um echte Freundinnen zu finden. Bei anderen Nationen kann man dagegen frei wählen, mit wem man abhängen will – das ist ein Vorteil.
Wo liegt der Ursprung Ihrer Freundschaft?
Weirather: Ich glaube, Ragnhild brauchte einfach eine Wohnung in Mitteleuropa und war deshalb so nett (lacht)!
Mowinckel: Genau, ich habe überall rumgefragt, wer noch ein Zimmer frei hätte (lacht). Im Ernst: Tina und ich haben eine ähnliche Einstellung zum Leben, unsere Wertvorstellungen sind gleich.
Weirather: Vor dem Start gab es jeweils nur ganz wenige, denen ich mein Herz ausschütten konnte. Es ist einfacher, mit jemandem zu reden, der auch fahren wird – das ist nicht das Gleiche wie mit dem Trainer. Wir blicken durch die gleichen Augen. Es ist beispielsweise super schön, jemandem sagen zu können: «Ich habe solche Angst!»
Mowinckel: So was sagst du sonst niemandem. Wir vertrauen uns blind.
Tina Weirather (35) ist die Tochter der Ski-Legenden Harti Weirather (66) und Hanni Wenzel (67). Obwohl von vielen Knieverletzungen geplagt, gewann sie zweimal den Super-G-Weltcup (2017 und 2018) und insgesamt neun Weltcuprennen, dazu holte sie WM-Silber (2017) und Olympia-Bronze (2018) – immer im Super-G. Im März 2020 trat sie zurück und begann schon bald als Ski-Expertin beim SRF. Weirather macht zudem mit Ex-Technik-Ass Marc Berthod und Comedy-Autor Michel Schweizer den wöchentlichen Ski-Podcast «Podcast am Pistenrand». Weirather lebt mit ihrem Ehemann Fabio in Vaduz. Im Januar 2024 wurden sie Eltern des kleinen Lio.
Tina Weirather (35) ist die Tochter der Ski-Legenden Harti Weirather (66) und Hanni Wenzel (67). Obwohl von vielen Knieverletzungen geplagt, gewann sie zweimal den Super-G-Weltcup (2017 und 2018) und insgesamt neun Weltcuprennen, dazu holte sie WM-Silber (2017) und Olympia-Bronze (2018) – immer im Super-G. Im März 2020 trat sie zurück und begann schon bald als Ski-Expertin beim SRF. Weirather macht zudem mit Ex-Technik-Ass Marc Berthod und Comedy-Autor Michel Schweizer den wöchentlichen Ski-Podcast «Podcast am Pistenrand». Weirather lebt mit ihrem Ehemann Fabio in Vaduz. Im Januar 2024 wurden sie Eltern des kleinen Lio.
Wie oft standen Sie eigentlich gemeinsam auf dem Podest?
Mowinckel: Nie!
Weirather: Das war immer unser Ziel gewesen.
Im März 2020 trat Tina vom Spitzensport zurück.
Mowinckel: Genau in diesem Jahr hatte ich mich schwer verletzt – das war nicht einfach.
Weirather: Sorry dafür, dass ich nicht mehr an deiner Seite war. Aber für mich war es der richtige Zeitpunkt, ich spürte nicht mehr das gleiche Feuer wie früher.
Schon im darauffolgenden Winter begann Tina als Ski-Expertin beim SRF. Wie macht sie es, Ragnhild?
Weirather: Sie hört meine Kommentare ja nicht, da sie fahren muss (lacht).
Stimmt.
Mowinckel: Von dem, was ich vernehme, ist Tina super. Ihre Glaubwürdigkeit am TV ist hoch, weil sie das Auge fürs Skifahren und die Menschen hat. Und das vermittelt sie gut.
Würden Sie den Job auch Ragnhild zutrauen, Tina?
Weirather: Auf jeden Fall. Sie hat eine angenehme Stimme und ist sehr eloquent. Allerdings kenne ich deinen norwegischen Dialekt nicht.
Mowinckel: Er ist grauenvoll (lacht)!
Was würden Sie gerne mal zusammen unternehmen?
Mowinckel: Eine Asien-Reise.
Weirather: Wir lieben beide Sushi und haben schon über einen Japan-Trip gesprochen. Das wäre cool. Aber solange Ragnhild aktiv ist, ist es schwierig.
Wie lange muss Tina noch warten?
Mowinckel: Eigentlich habe ich gesagt, dass ich nicht noch einmal bei Olympia antreten werde. Aber 2026 finden die Spiele in Cortina statt – einem Ort, den ich sehr mag.
Weirather: Lass dich von mir nicht stressen, ich warte auf dich.
Sie haben viele Gemeinsamkeiten. Zum Abschluss die Frage: Was unterscheidet Sie?
Mowinckel: Ich bin blond, du hast dunkle Haare.
Weirather: Du sprichst immer davon, Party zu machen. Ich rede dagegen nicht darüber, sondern tue es (lacht).