Als Mélanie Meillard (18) ins Rennen startet, schaut im Zielstadion von Levi kaum noch einer hin. Auch in der Schweiz bekommen nur die wenigsten die «Geburtsstunde» des Schweizer Top-Talents mit, ist doch SRF 2 nicht mehr auf Sendung.
Schade. Es hätte sich gelohnt, dem in Neuenburg aufgewachsenen Teenager bei der Arbeit zuzuschauen. Denn: Mit der hohen Nummer 40 rast Meillard, die seit 2009 im Val d’Hérémence (Unterwallis) lebt, auf Platz 5. Dass sie ihre Leistung im zweiten Lauf bestätigt und in ihrem erst 4. Weltcup-Rennen letztlich Sechste wird, zeigt ihre Klasse.
«Das schaffen nicht viele», sagt Hans Flatscher. Der Frauen-Cheftrainer ist nicht überrascht, kennt er Meillard doch seit langem. Aber beeindruckt.
Fast zwei Wochen sind seither vergangen. Genügend Zeit, um das Erreichte zu verarbeiten. «Ich erhielt nach dem Rennen mehr als 75 WhatsApp-Nachrichten – so viele wie noch nie in so kurzer Zeit!», blickt Meillard zurück. Dass sie dabei lacht, ist nicht ungewöhnlich – sie tut es regelmässig während des Gesprächs. Ihre jugendliche Frische äussert sich dabei in Worten wie «cool», aber auch «scheisse» – wofür sich Meillard sogleich entschuldigt. Und wieder lacht.
«Cool» gehört aber nicht nur zum ständigen Vokabular Meillards. Nein, die Schwester von Weltcupfahrer Loïc (20) ist tatsächlich eiskalt – «cool» eben. Nichts scheint sie nervös zu machen – zumindest nicht auf der Piste.«So bin ich einfach – wie mein Bruder übrigens auch.»
Dass Mélanie nun bei den Rennen in Killington (Riesenslalom und Slalom) wieder an den Start gehen darf, ist eine Belohnung. Druck verspürt sie nicht, auch wenn nun viele Augen auf sie gerichtet sein werden. «Ich werde alles riskieren. Das muss ich. Sonst bin ich im Ziel, nicht unter den ersten 30 und denke: Scheisse!» Meillards Motto: «Ich scheide lieber aus als dass ich langsam bin!»
Und so wird die Junioren-Weltmeisterin von 2015 auch in Killington angreifen – egal was andere denken. Und vielleicht wieder nahe an den Besten ihres Fachs dran sein. So wie in Levi, als Meillard im Steilhang des ersten Laufs mit 23,86 Sekunden die zweitbeste Abschnittszeit hinlegt.
Kaum zu glauben: Einzig Slalom-Dominatorin Mikaela Shiffrin (21) ist im anspruchsvollen Sektor einen Hauch (0,33 Sekunden) schneller. Meillard ist überrascht: «Nur Shiffrin schneller? Ist das so? Das wusste ich nicht. Wow!»
Mit gerade einmal zwei Jahren stand die kleine Mélanie zum ersten Mal auf Ski. Heute, 16 Jahre später, scheint ihre Zukunft rosig. Aber wovon träumt sie? «WM-Gold, Olympiasiegerin, grosse Kristallkugel – ich würde gerne alles gewinnen», so Meillard. Aber eigentlich habe sie sich das gar nicht so richtig überlegt, ergänzt sie und lacht. Wie so oft – und hoffentlich noch lange.