Der Ski-Weltcup soll ein neues Rekordrennen bekommen: Schon übernächsten Winter könnten die Abfahrts-Stars am Matterhorn auf der längsten und höchsten Abfahrt der Welt in die Tiefe donnern – auf der ersten Weltcup-Strecke überhaupt, die zwei Länder miteinander verbindet.
Der Plan: Von der Gobba di Rollin oberhalb des Klein Matterhorns auf 3899 Metern über Meer soll es hinunter nach Laghi Cime Bianchi gehen, rund drei Kilometer der Fünf-Kilometer-Piste befinden sich auf italienischem Boden, zwei auf Schweizer Terrain, auf rund drei Vierteln der Strecke geht es über Gletschereis.
Einer der Köpfe hinter dem Projekt ist Franz Julen. Der 61-Jährige kennt den Skisport ganz genau: Er war Servicemann, Journalist, Sportvermarkter, vor vier Jahren hörte er nach 17 Jahren als CEO von Intersport auf. Heute ist er Präsident der Zermatter Bergbahnen und begeistert von dem Plan, den die Italiener aus Cervinia geschmiedet haben, dem Skigebiet, das mit Zermatt verbunden ist. «Als CEO Markus Hasler und ich Ende November zum ersten Mal davon hörten, wussten wir innerhalb von zwei Sekunden: Das ist die Idee», sagt er.
«Können ohnehin nicht mit Wengen konkurrieren»
Schon lange war Zermatt immer wieder als möglicher Weltcup-Austragungsort herumgeboten worden. Auch von Swiss-Ski, wenn es zum Beispiel darum ging, Druck auf die Organisatoren der Lauberhornrennen in Wengen zu machen. «Das war nie ein realistisches Szenario», sagt Julen. «Das war gutes Marketing für uns, mehr nicht. Im Januar und Februar haben wir hier keine Kapazität für ein Weltcuprennen, dann ist Zermatt voll mit Touristen. Und wir können mit Wengen ohnehin nicht konkurrieren, Wengen ist unantastbar. Jeder Sport lebt von der Tradition. Wengen ist im Skisport, was Roland Garros oder Wimbledon im Tennis sind. Das können wir gar nicht bieten.»
Im November dagegen könnte aufgrund der Höhenlage einzig am Matterhorn eine Abfahrt stattfinden, dann sind die Hotelbetten im Ort frei und der Platz im Rennkalender auch. Julen: «Es gibt nur Gewinner mit diesem Konzept. Der Skisport bekommt ein Rennen mit grandioser Kulisse und zu einem Zeitpunkt, wenn noch nichts läuft und die Wintersaison früh lanciert werden kann. Und Zermatt kann sich von seiner besten Seite zeigen.»
Gletscherspalten sichern und Sturzräume schaffen
Im Ort seien alle wichtigen Player an Bord, FIS-Mann Gian-Franco Kasper und Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann seien sofort begeistert gewesen. «Der Skisport braucht neue Ideen, neue Impulse, er braucht Innovation», sagt Julen. «Da kommen wir ins Spiel. Zumal wir umweltfreundlich sind: Wir müssen für die Strecke keine Wälder roden und auch kein Terrain verschieben. Einzig die Gletscherspalten müssen wir sichern und Sturzräume schaffen.»
Man konkurriere in dieser Zeit niemanden. «Und wir sehen uns auch nicht als Vorreiter für alle anderen. Grundsätzlich bin ich schon der Meinung, dass der Skisport zu den Menschen gehört und die Zielräume in die Dörfer. Ich plädiere dagegen, die Rennen alle in höheren Gefilden stattfinden zu lassen.»
Das Konzept Wengen hat für Julen also nicht ausgedient. Den Knatsch im Berner Oberland sieht der Walliser gelassen. «Die werden schon eine Lösung finden», ist er überzeugt. «Da steht zu viel auf dem Spiel. Jetzt muss einfach jemand vermitteln. Einen Ski-Winter ohne Wengen wird und darf es nicht geben.»