Der brisante Dialog wird vorletzte Woche unweit der Wachs-Kabinen in Garmisch-Partenkirchen geführt. Dominique Gisin unterhält sich mit ihrem Konditions-Trainer Christoph Boner, der nach dieser Saison seine Stelle bei Swiss Ski verlassen wird.
Weil die Engelbergerin nicht bemerkt, dass die Wachs-Container Ohren haben, vertraut sie dem Bündner ein Geheimnis an: «Wir könnten für die Mannschaft ein gemeinsames Abschiedsfest organisieren – ich werde meine Karriere nämlich ebenfalls beenden!»
Will unser Golden Girl von Sotschi ihre Rennlatten tatsächlich für immer in den Keller stellen? Nun, offiziell mag sich die Abfahrts- Olympiasiegerin erst am kommenden Donnerstag anlässlich einer Pressekonferenz beim Weltcupfinal in Méribel über ihre Zukunft äussern.
Doch ein Team-Insider bestätigt SonntagsBlick: «Dominique hat letzte Woche Trainer und Teamkolleginnen in ihren Rücktrittsplan eingeweiht.» Und dieser Plan trifft Gegnerinnen, Trainer und Fans völlig überraschend und richtig heftig.
«Weil Gisins geistiger Horizont weit über die Skispitzen hinausgeht, war mir zwar schon früh klar, dass sie nicht bis ins Alter von 40 Jahren Rennen bestreiten wird. Gleichzeitig war ich mir bis vor ein paar Tagen ganz sicher, dass sie ihre Karriere bis zur Heim-WM 2017 in St. Moritz fortsetzen wird», gesteht ein Swiss-Ski-Funktionär.
Die WM in St. Moritz hätte auch deshalb besonders gut in die Biografie der 29-Jährigen gepasst, weil sie ihre ersten Lebensjahre im Engadin verbracht hat.
Auf St. Moritzer Schnee hat Dominique das Skifahren erlernt. Doch die Schmerzen und die Verschleiss-Erscheinungen ihrer zahlreichen Knieverletzungen sowie ihr Lechzen nach einer neuen Herausforderung scheinen stärker zu sein als der Reiz von einem Welt-Titelkampf in ihrem «Kinderzimmer».
Der Reiz der Physik ist Gisins treibende Kraft
«Dominique wird ab dem Sommer ihr Physik-Studium fortsetzen, das sie vor ihren ersten grossen sportlichen Erfolgen angefangen hat», behauptet ein Bekannter von Gisin.
Vor drei Jahren erklärte die Besitzerin des Privatpilot-Brevets in einem Interview mit dem Magazin der «Air Edelweiss», warum sie die komplexe Wissenschaft so sehr anzieht:
«Naturwissenschaften haben mich immer fasziniert. Auch beim Skisport und beim Fliegen hat man viel mit Kräften zu tun, daher interessieren mich die tieferen Zusammenhänge.»
Wer weiss, vielleicht gewinnt Gisin eines Tages als fünfte Schweizerin nach Charles Edouard Guillaume (1920), Felix Bloch (1952), Heinrich Rohrer (1986) und Karl Alexander Müller (1987) den Nobelpreis für Physik.
Doch ihren Trainern und unzähligen Fans wäre es sicher lieber, wenn Dominique bis am Donnerstag ihren Entscheid mit dem Rücktritt vom Skirennsport noch einmal überdenken würde.