Daniel Yule ist sich bewusst, dass er kein einfacher Zeitgenosse ist. «Ich bin extrem stur. Wenn ich mir etwas in den Kopf setzte, muss ich es unbedingt durchstieren. Und ich bin ein ganz schlechter Verlierer.»
Seit Samstag ist Yule, der als Sohn von britischen Einwandern in La Fouly im Unterwallis gross geworden ist, ein echter Gewinner. Mit einem grandiosen zweiten Durchgang verbessert sich der 25-Jährige auf dem so selektiven Hang in Madonna di Campiglio vom vierten auf den ersten Rang!
Yule kritisiert die FIS
Yules Stur- und Kompromisslosigkeit haben kurz vor dieser Saison auch die hohen Herren des internationalen Ski-Verbandes zu spüren bekommen. In einem BLICK-Interview kritisierte er das Marketing der FIS und bezeichnete die meisten Ski-Übertragungen im TV als langweilig.
Zudem forderte er mehr Riesen- und Slaloms zur besten Sendezeit.«Wer schaut sich an einem schönen Samstagmorgen einen ersten Slalomlauf im TV an? Um diese Zeit wollen die meisten Leute doch selber auf den Ski stehen. Deshalb sollten die technischen Weltcuprennen ausschliesslich am Abend gestartet werden, wo die Fans Zeit und Lust haben um vor dem Fernseher zu sitzen.»
Deshalb ist es irgendwie bezeichnend, dass Yule den ersten Weltcupsieg seiner Karriere nun ausgerechnet bei einem Nachtslalom eingefahren hat.
«Ich habe als Kind nie an einen Weltcupsieg geglaubt»
Im Moment seines grössten Triumphes reist Yule gedanklich zurück in seine Vergangenheit. «Ich habe als Kind nie daran geglaubt, dass ich eines Tages ein Weltcuprennen gewinnen könnte.» Kein Wunder, schliesslich stammt Yule aus keiner typischen Ski-Familie.
«Mein Vater ist aus Nordengland ins Unterwallis gekommen, um französisch zu lernen. Hier ist er meiner in Schottland geborenen Mutter begegnet, die den grössten Teil ihrer Kindheit in Nicaragua und Mexiko verbracht haben. Beide hatten keinen Bezug zum Skirennsport.»
Die Yules haben ihr Haus dann aber ganz in der Nähe eines Skilifts gebaut. «Im Winter haben mich meine Eltern um 9 Uhr am Skilift abgeben und um 16.30 Uhr wieder abgeholt. Irgendwann habe ich dann richtig Freude an dieser Sportart bekommen.»
Plaschy hat Yule weitergebracht
Später wurde Yule stark von Didier Plaschy geprägt, der Daniels grossen Sieg gestern als Experte im Schweizer Fernsehen kommentiert.
«Didier Plaschy war mein Trainer in der Future-Gruppe von Swiss Ski», erzählt Yule. «Seine Trainingsmethoden waren legendär. Wir haben viel Zeit auf einer Ski-Teppichanlage gearbeitet. Unter Didier habe ich aber auch unzählige Stunden auf Schlittschuhen verbracht, weil er überzeugt war, dass ich durch das Training auf dem Eis ein viel besseres Gefühl für flache Slalom-Passagen entwickeln würde.» Yule gibt zu, dass er Didier «manchmal verflucht habe. Heute weiss ich aber, dass er mich weitergebracht hat.»
Den Feinschliff hat Yule in den letzten Jahren aber von Swiss Ski-Slalomchef Matteo Joris erhalten, der in Madonna den zweiten Durchgang komplett den Qualitäten seines Schützlings entsprechend gesetzt hat.
Als gewinnbringend entpuppt sich auch Yules Winter-Ernährungsplan. «Ich verzichte während der Saison strikt auf Fondue, Raclette und Bier. Aber im Frühling wird dann richtig gesündigt...» Wie viel Champagner Yule gestern nach seiner Heldentat in Italien getrunken hat, ist nicht bekannt...