Pirmin und Elia Zurbriggen im Doppel-Interview
«Ich bin unglaublich stolz auf meinen Sohn»

Wie der Vater, so nicht immer der Sohn. Elia Zurbriggen hofft mit 27 auf den Durchbruch. Sein Vater Pirmin ist im Alter von 27 Jahren bereits zurückgetreten. Als Weltmeister, Olympiasieger und Gesamtweltcupsieger. Ein Treffen in einem Tiroler Stadl in Sölden.
Publiziert: 29.10.2017 um 19:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:02 Uhr
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Pirmin zeigt Elia, wie es mit der Sense und der Heugabel geht: «Wir hatten zwei Kühe und vierzehn Schafe zu Hause.»
Foto: LORENZI ERNST SOELDEN
Interview: Felix Bingesser

Elia Zurbriggen, haben Sie sich schon mal gewünscht, Meier oder Müller oder Huber zu heissen?
Elia: Nein, nie. Ich bin schon als kleiner Bub jede freie Minute auf den Ski gestanden. Nicht weil ich Zurbriggen heisse, sondern weil es mir Freude macht. Natürlich spürt man, dass der Name auch eine Belastung sein kann. Und klar nerven die ständigen Vergleiche mit meinem Vater. Aber ich bin stolz, ein Zurbriggen zu sein.

Wann haben sie sich am meisten genervt?
Elia 
:Das war früher, bei Junioren- und FIS-Rennen. Da gab es schon hin und wieder Sprüche, wenn ich dann in der zweiten Ranglistenhälfte aufgetaucht bin. Aber das ist alles längst vorbei.

Pirmin Zurbriggen, Elia ist jetzt 27. Sie sind in diesem idealen Alter für Skifahrer bereits zurückgetreten. Haben Sie diesen Schritt jemals bereut?
Pirmin:
Nein. Ein Grund, dass ich so früh zurückgetreten bin, steht ja hier neben mir. Ich habe im Winter 1990 erfahren, dass meine Frau schwanger ist. Und wollte dann dieses Risiko als werdender Vater nicht mehr auf mich nehmen. Im Herbst nach meinem Rücktritt kam dann Elia auf die Welt.

Elia, wann haben Sie erstmals realisiert, dass sie so einen berühmten Vater haben?
Elia: Als kleiner Junge. Wir haben viele alte Kassetten mit den Rennen meines Vaters. Die haben wir jeweils im Hotel angeschaut. Aber die Dimension seiner Erfolge ist mir erst mit den Jahren bewusst geworden. Als ich selber versucht habe, den Sprung an die Weltspitze zu schaffen. Da habe ich gedacht: Unglaublich, was er erreicht hat.

Pirmin, würden Sie auf einige Ihrer vielen Siege und Titel verzichten, wenn sie die Elia schenken könnten?
Pirmin: Natürlich! Aber er will ja nichts von mir geschenkt. Er will sich alles selber erarbeiten. Ich leide natürlich schon unglaublich mit als Vater und bin bei seinen Rennen nervöser, als ich es vor meinen eigenen war. Und es tut dann auch ab und zu weh, wenn man sieht, was er alles investiert und wie fokussiert er arbeitet. Und sich die Erfolge trotzdem nicht einstellen.

Dann haben Sie Mitleid?
Pirmin:
Das ist das falsche Wort.  Man muss nicht Weltcuprennen gewinnen, man muss nicht Olympiasieger und Weltmeister sein, um ein glückliches Leben zu haben. Wichtig ist, dass man etwas mit Leidenschaft macht. Ich würde es ihm einfach gönnen, wenn er sein Potenzial einmal abrufen könnte. Unabhängig von den Resultaten bin ich einfach unheimlich stolz auf meinen Sohn. Auf meine anderen vier Kinder natürlich auch.
Elia: Mich ärgert es halt, weil ich weiss, dass eigentlich mit den Besten mithalten könnte. Der achte Platz im Riesenslalom in Kranjska Gora in der letzten Saison hat mir jetzt nochmals Selbstvertrauen gegeben.

Elia, gab es auch Zeiten, in denen Sie den Bettel hinschmeissen wollten?
Elia:
Ja, mehr als einmal. Wenn man soviel investiert und immer wieder scheitert fragt man sich schon, warum man sich das alles antut. Der Sport ist sicher eine wunderbare Lebensschule. Aber er kann auch brutal hart sein. Mitte der letzten Saison gab es wieder einen solchen Moment, in dem ich mich gefragt habe, ob das alles noch Sinn macht.

Da haben Sie auch mit Ihrem Vater geredet?
Pirmin:
Ja, natürlich. Wir reden immer wieder. Aber er hat mich nicht gedrängt, weiterzumachen. Im Gegenteil, er relativiert dann immer alles. Er hat mir einfach empfohlen, die Saison locker zu Ende zu fahren. Und dann kam auch dieser achte Platz, der für mich ein Schlüsselerlebnis war.

Was ist denn alles möglich? Träumen Sie von einem Podestplatz?
Elia:
Träumen kann man immer. Aber ich muss realistisch sein. Für mich kommt jetzt eine Schlüsselsaison. Ich muss konstanter werden und mich im Riesenslalom unter den besten dreissig etablieren.

Sonst?
Elia:
Wie gesagt: Ich kann mich nicht mit meinem Vater und seinen Erfolgen vergleichen. An diesen Erfolgen beissen sich ja auch ganz viele andere Fahrer die Zähne aus. Entscheidend ist für mich, ob ich den Skisport weiter mit Freude betreiben kann. Der Skisport ist auch viel komplexer geworden als er es in den achtziger Jahren war. Und ich sage mir immer: Ich gehöre immerhin zu den besten Skifahrern auf der Welt.

Und könnten sich in dieser Saison auch für die Olympischen Spiele qualifizieren.
Elia:
Das wäre cool, ja. Aber es ein weiter Weg. Ich brauche zwei Resultate in den ersten 15 oder ein Resultat in den ersten sieben. Aber ich setze mich jetzt deswegen nicht unter Druck.

Sie können ja auch 2026 noch an den Start gehen, wenn die Olympischen Spiele in Sion stattfinden.
Elia:
(lacht) Warum nicht? Dann wäre ich 36 Jahre alt. Ja, theoretisch ginge das.

Für Sie, Pirmin, war der Sport keine harte Lebensschule. Sie sind von Erfolg zu Erfolg gefahren.
Pirmin:
So einfach war das dann auch wieder nicht. Ich erinnere mich an das Jahr 1983. Da hat mir mein guter Kumpel Max Julen in jedem Slalomlauf zwei oder drei Sekunden abgenommen. Da bin ich fast verzweifelt.

Wer wird eigentlich mehr erkannt, wenn sie gemeinsam durch Zermatt spazieren?
Elia:
Er natürlich. Aber das ist nicht nur in Zermatt so, das ist überall so.

Elia, Sie feiern als Bass-Gittarist auch grosse Erfolge mit der familieneigenen Band «Wintershome». Jetzt habt Ihr Eure erste CD aufgenommen.
Elia:
Ja, es ist toll, dass wir nach fünf Jahren endlich etwas in der Hand haben. Aber ich konnte nicht mit zu den Aufnahmen, ich war ja den ganzen August im Trainingslager in Neuseeland. Die Band war sechs Wochen in Seattle, in den USA. Das Musikprojekt ist immer professioneller geworden. Mir war klar, dass ich mich zwischen dem Skisport und der Musik entscheiden muss. Ich habe einen Verwandten gefunden, der eingesprungen ist. Aber ich möchte schon beim einen oder anderen Konzert wieder dabei sein.

Pirmin, Sie waren der erfolgreichere Skifahrer, dafür ist Elia der talentiertere Musiker?
Pirmin:
Das stimmt. Allerdings darf man mich nicht unterschätzen. Ich habe Trompete gespielt und war in der Dorfmusik von Saas Almagell. Und ich war auch ein Jahr am Konservatorium. Aber habe dann auch voll auf den Skisport gesetzt.

Elia, was ist am Sonntag in Sölden für Sie möglich?
Elia:
Der Hang hat mir bis jetzt nicht viel Glück gebracht. Wichtig ist, dass ich im zweiten Lauf dabei bin. Wir haben eine gute Mannschaft und bei den Trainings war ich immer auf Augenhöhe mit meinen Kollegen. Die Top dreissig sind das klare Ziel.

Pirmin, erlebt die Schweizer wieder einmal so goldene Zeiten wie mit Ihnen in den achtziger Jahren?
Pirmin:
Wenn ich jetzt die junge Generation sehe, dann bin ich sehr optimistisch. Da hat es ganz viele spannende Fahrer dabei. Doch, ich denke es gibt Anzeichen, dass es bald wieder eine solche Ära gibt.

Elia, wo stehen Sie in zehn Jahren?
Elia:
Da mache ich mir noch nicht soviele Gedanken. Sicher ist, dass ich mal eine Familie haben möchte. Und ich bleibe wohl auch in Zermatt. Da gehöre ich hin.

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