Patrick Küng
«Ich wollte lieber Ski fahren als zur Grossmutter»

Er ist unser einziger WM-Titelverteidiger. Patrick Küng beweist nach dem Kitz-Nuller mit den Plätzen 11 und 13 in Garmisch, dass er rechtzeitig in Fahrt kommt.
Publiziert: 29.01.2017 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:51 Uhr
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Der Weltmeister auf der WM-Strecke in St. Moritz. Küng: «Ich darf gewinnen, andere müssen.»
Foto: THOMANN SVEN
Marcel W. Perren aus Garmisch-Partenkirchen

SonntagsBlick: Patrick, sind Sie sich bewusst, dass Sie bald Nachfolger von Bernhard Russi werden können?
Patrick Küng:
Ja, Bernhard Russi war der letzte Abfahrer, der seinen Weltmeister-Titel verteidigen konnte. Aber wann war das genau?

Nach seiner WM-Goldmedaille in Gröden 1970 hat er zwei Jahre später Gold bei den Olympischen Spielen in Sapporo gewonnen. Olympische Spiele wurden damals bei den Alpinen gleichzeitig als Weltmeisterschaft gewertet.
Okay. Es wäre natürlich traumhaft, wenn mir im eigenen Land Ähnliches gelingen würde. Andererseits möchte ich mich jetzt nicht zu sehr unter Druck setzen. Ich will diese WM vor heimischem Publikum auch ein bisschen geniessen können. Und weil ich ja schon Weltmeister bin, darf ich noch einmal Weltmeister werden. Andere müssen Weltmeister werden.

Sind Sie wirklich so entspannt?
Ich bin 2015 auch nicht mit dem Ziel an den Start gegangen, die Goldmedaille zu gewinnen. Ich bin zwar damals mit dem Ziel in die USA gereist, so gut wie möglich diesen Berg hinunterzufahren. Aber ich habe wirklich nicht an den Weltmeister-Titel geglaubt. Es ist dann einfach passiert. Und deshalb will ich jetzt wieder mit der gleichen Einstellung nach St. Moritz reisen.

Aber im Gegensatz zu 2015 sind Sie nicht mehr in der Rolle des unbeschwerten Aussenseiters. Sie sind der Titelverteidiger, von dem bei einem Heimspiel besonders viel erwartet wird.
Es ist mir schon klar, dass mir die vielen Fans und die Schweizer Medien ordentlich Druck aufsetzen werden. Aber ich glaube, dass ich diesen Druck in Freude umwandeln kann. Und das schafft man, wenn einem bewusst wird, dass nicht jeder Mensch die Chance hat, imeigenen Land vor den Augen seiner Freunde und seiner Familie eine Weltmeisterschaft bestreiten zu dürfen. Das ist wirklich etwas Einzigartiges.

Sie reden wie ein Mental-Trainer.
Ich arbeite ja auch seit meiner schweren Knie-Verletzung 2006 mit einer Mental-Trainerin zusammen. Ohne ihre Hilfe hätte ich es wahrscheinlich nie bis an die Weltspitze geschafft.

Am letzten Wochenende inKitzbühel hat auch das mentale Training nichts genützt. Rang 30 im Super-G und 35 in derAbfahrt – was war da los?
Mit meinem Fahrstil tue ich mich auf eisigen Pisten wie in Kitzbühel brutal schwer. Darum bin ich froh, dass in St. Moritz ganz andere Verhältnisse sein werden.

Der Schnee im Engadin wird oft mit dem «Champagne Powder» in Beaver Creek verglichen. Ist da was dran?
Es gibt zwischen Beaver Creek und St. Moritz zwar grosse Unterschiede, was die Topographie der Strecken anbelangt. Aber die Beschaffenheit des Schnees ist tatsächlich nahezu identisch. Ich habe das letzte Woche bei unserem Training auf der WM-Strecke deutlich gespürt. Ich bin auf dieser Unterlage auch wieder deutlich besser zurecht gekommen als auf dem Eis in Kitzbühel. Ich habe mein Material auch stark für die Schneeverhältnisse in St. Moritz und Beaver Creek abgestimmt.

Ihr Servicemann Franz Nadig spielt bei der Abstimmung des Materials eine wichtige Rolle. Der Neffe der legendären «Maite» Nadig ist als besonders impulsiv bekannt. Wann hat er Sie das letzte Mal so richtig zusammengestaucht?
Nach der Weltcup-Abfahrt in Gröden. Rückblickend betrachtet habe ich für diesen Wutausbruch auch vollstes Verständnis. Franz hat im Wachskeller einmal mehr einen überragenden Job gemacht, während ich meine Aufgabe auf der Piste in der Ciaslat ungenügend erledigt habe. Okay, die Tonalität von Franz ist sicher oft gewöhnungs­bedürftig, aber ich kann mir keinen besseren Servicemann vorstellen als ihn.

Deutliche Worte hat vor ein paar Wochen auch Urs Lehmann gefunden. Er behauptet, dass vielen Schweizern im Vergleich zu einem Svindal oder Hirscher der letzte Biss fehlt. Geben Sie Ihrem «Präsi» recht?
Mir persönlich hat er das so noch nie gesagt, dass ich zu wenig trainiere. Fakt ist: Svindal und Hirscher sind absolute Ausnahme-könner, obwohl Aksel im Moment ja auch zu beissen hat. Und wir haben in der Schweiz mit Silvano Beltrametti oder Dani Albrecht auch einige vergleichbar grosse Kaliber verloren. Trotzdem möchte ich abschliessend fest­halten, dass Lehmann mit seiner Kritik sicher nicht ganz daneben liegt.

Gibt es umgekehrt Fehler, die Sie im System von Swiss-Ski erkennen?
Meiner Meinung nach trainieren wir derzeit in viel zu kleinen Gruppen. Die Besten müssen sich in jedem Training pushen können. Aber bei uns trainieren die Besten zu wenig miteinander.

Lassen Sie uns das Rad der Zeit zurückdrehen – welches ist die erste Erinnerung, die Sie mit dem Skifahren verknüpfen?
Ich weiss, dass ich anfänglich immer zur Grossmutter musste, während sich mein älterer Bruder auf der Skipiste vergnügendurfte. Irgendwann habe ich dann allen klar gemacht, dass ich anstatt zur Grossmutter auch auf die Ski will. So hat alles angefangen.

Ist der kleine «Paddy» von damals seit seiner Gold-Fahrt von Beaver Creek Millionär?
(Lacht und antwortet augenzwinkernd) Höchstens Millionär der Herzen ...

Herz ist ein gutes Stichwort. Ihr Trainer Sepp Brunnerbehauptet, dass Sie sich als Person sehr positiv entwickelt haben, seit Sie sich im letzten Sommer in eine sehr Schöne verliebt haben. Stimmts?
Verliebt sein ist nun einmal etwas Wunderbares, aber ich bin derselbe Mensch geblieben. Ich bin privat sehr glücklich. Leider habe ich bis jetzt noch nicht den Beweis erbringen können, dass sich die Liebe auch positiv auf meine sportlichen Leistungen auswirkt. Mehr möchte ich zu diesem Thema aber nicht sagen, ich will mein Privatleben auch in Zukunft schützen.

Akzeptiert. Verraten Sie uns noch Ihre Top-Favoriten fürdie WM-Abfahrt?
Jansrud ist ganz heiss, Paris auch, Feuz ist hier sehr schnell, Janka hat mich im Training ebenfalls überzeugt. Und auch die Nordamerikaner muss man auf diesem Gelände auf der Rechnung haben.

Obwohl die Amerikanerentgegen den ursprünglichen Abmachungen letzte Woche nicht mit Ihnen in St. Moritz mittrainieren durften?
Ich weiss nicht, was die Chefs genau abgemacht haben. Ich habe einfach immer gesagt, dass wir von den Amerikanern eine richtig gute Gegenleistung erhalten müssen, wenn sie mit uns in St. Moritz trainieren dürfen. Was sie uns im November in Copper Mountainangeboten haben, war sicher okay, aber meiner Meinung nach eben auch nicht mehr.

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