Wie schwierig ein Debüt bei der Lauberhorn-Abfahrt ist, belegen die Biografien von zwei Schweizer Speed-Giganten. Didier Cuche (47) landete bei seiner Wengen-Premiere 1998 mit fast zwei Sekunden Rückstand auf Rang 15, Beat Feuz (34) kassierte 2010 gar eine Packung von 5,96 Sekunden und schiffte auf den 42. Platz ab.
Auch Marco Odermatt fühlt sich vor seinem ersten Mal auf dieser mit aussergewöhnlichen Passagen gespickten Piste ziemlich klein. Als er nach dem ersten Training vom Blick-Reporter gefragt wird, wie viel Geld er hier auf einen Podestplatz von sich selber wetten würde, schüttelt der Nidwaldner den Kopf: «Keinen Rappen! Es gibt hier zu viele Abschnitte, die ich überhaupt nicht im Griff habe.»
Doch nun deutet das Ergebnis der ersten von zwei Lauberhorn-Abfahrten darauf hin, dass das Schlitzohr «Odi» mit seinen Aussagen alle an der Nase herumgeführt hat – der 24-jährige Ausnahmekönner wird hinter Norwegens Super-Elch Aleksander Aamodt Kilde und vor dem dreifachen Wengen-Champion Feuz Zweiter! Im berüchtigten Brüggli-S ist er klar der Schnellste. «Ein grosses Dankeschön an Carlo Janka, er hat mir bei der Besichtigung als absoluter Brüggli-Spezialist wertvolle Inputs für diese Herausforderung geliefert», betont Odermatt.
«Würde auch Slalom-Spezialisten Probleme bereiten»
«Bei diesem Mann überrascht mich mittlerweile rein gar nichts mehr. Wahrscheinlich würde Marco auch den Slalom-Spezialisten ernsthafte Probleme bereiten, wenn er ein paar Mal auf den kurzen Ski trainieren würde», glaubt Österreichs Doppel-Olympiasieger Matthias Mayer (31).
Odermatt winkt jedoch lachend ab: «Jeden Seich mache ich nicht mit! Ich bin froh, wenn ich am Slalom-Sonntag nach einem derart anstrengenden Programm endlich wieder einmal freihaben werde. Zumal die zweite Abfahrt auf der Originalstrecke so richtig hart werden wird.»
Zoff um Kriechmayrs Start
Hart sind auch einige Worte, die im Zusammenhang mit der FIS-Sonderbehandlung von Vincent Kriechmayr gefallen sind. Rückblick: Weil der amtierende Abfahrts- und Super-G-Weltmeister nach einem positiven Corona-Test verspätet in Wengen eingetroffen ist, konnte der Österreicher die beiden Abfahrtstrainings nicht bestreiten. Und ohne Trainingslauf auf der Rennpiste ist normalerweise auch kein Wettkampf-Start möglich. Die Jury um FIS-Renndirektor Markus Waldner liess Kriechmayr nun aber dennoch fahren, nachdem er am Renntag kurz vor der offiziellen Streckenbesichtigung ein Alibi-Training von zwei Sekunden absolvierte.
«Ich bin wegen dieser Aktion richtig angepisst, hier wurde das Reglement mit Füssen getreten», tobt der Schweizer Alpin-Direktor Walter Reusser. Und Odermatt fragt sich, «ob die FIS so etwas auch der Nummer 50 in der Abfahrt erlaubt hätte – aber grundsätzlich finde ich es gut, wenn zugunsten eines Athleten entschieden wird». Feuz sieht es ähnlich: «Aus rein sportlicher Sicht ist diese Entscheidung vertretbar, aber sie lässt natürlich nun auch enorm viel Spielraum für alle andern.»
Verbandspräsident Urs Lehmann wird konkret: «Falls Beat Feuz nächste Woche in Kitzbühel das Training verpasst, weil seine Freundin das zweite Kind zur Welt bringt, erwarte ich, dass die FIS Beat genau gleich entgegenkommt, wie man das jetzt mit Vincent getan hat.»
Übrigens: Ösi Kriechmayr schwingt nach seinem umstritten Start als Zwölfter unmittelbar hinter Carlo Janka ab.