Cyprien Sarrazin wird seinem Spitznamen «Psycho» auch beim Super-G in Wengen gerecht! Ähnlich wie bei seinem Abfahrtssieg in der Altjahrswoche in Bormio fährt der Franzose auch am Lauberhorn auf dem allerletzten Zacken – bei der Einfahrt ins Brüggli-S berührt er mit dem linken Skischuh den Fangzaun! Das Risiko zahlt sich aus. Im Ziel liegt der 29-jährige 58 Hundertstel vor unserem Seriensieger Marco Odermatt. «Ich habe Sarrazins Fahrt am Start gesehen und wusste, dass es schwer wird, ihn zu besiegen. Und weil danach mit Alexis Pinturault auch noch ein Top-Athlet gestürzt ist, der ansonsten super auf dem Ski steht und praktisch nie einen Fehler macht, ist bei mir bestimmt ein Prozent Sicherheit mitgefahren.»
«Odermatt hat in diesem Super-G 80 Prozent gezeigt!»
Für die Walliser Trainer-Legende Patrice Morisod, die grosse Erfolge mit Didier Cuche und den Franzosen gefeiert hat, ist das von Odermatt angesprochene eine Prozent Sicherheit die Untertreibung des Jahres. «Marco hat in diesem Rennen nicht mehr als 80 Prozent seines Potenzials abgerufen.» Es gibt neben dem Sturz von Pinturault zwei Gründe, warum der Nidwaldner in diesem Super-G das Limit nicht ausgereizt hat. Erstens: Der Hauptfokus des Olympiasiegers liegt in dieser Lauberhorn-Woche auf der Originalabfahrt vom Samstag. Zweitens: Odermatt hat ganz genau gewusst, dass ihn auch ein zweiter Rang im Super-G einen grossen Schritt in Richtung der vier Kristallkugeln bringt.
Vier Kugeln in einem Winter haben bis jetzt nur drei Athleten geholt
In der Geschichte des alpinen Ski-Weltcups hat es bislang nur drei Athleten gegeben, die am Ende einer Saison vier Kristallkugeln in Empfang nehmen durften: der Franzose Jean Claude Killy (80, 1967), der Walliser Pirmin Zurbriggen (61, 1986/87) und Österreichs Hermann Maier (51, 1999/2000 und 2000/01). Odermatt liegt aktuell in der Gesamt-, in der Abfahrts-, in der Super-G- sowie in der Riesenslalom-Wertung an der Spitze. Und obwohl Odermatt nach seinem zweiten Lauberhorn-Einsatz zu Protokoll gegeben hat, dass er beim Fahren gemerkt habe, dass die Beine blau seien, brauchen wir uns keine ernsthaften Sorgen zu machen, dass dem Buochser der Sprit ausgeht.
Deshalb ist Odermatt auch Weltmeister in der Regeneration
Trotz seines Monster-Programms ist Odermatt auch dafür bekannt, dass er besonders schnell regeneriert. Beni Matti von Odermatts Ski-Ausrüster Stöckli nennt einen der Gründe: «Marco ist unglaublich diszipliniert. Obwohl er aufgrund der Medien-Marathons oft viel später als alle anderen ins Teamhotel zurückkehrt, setzt er sich immer gleich auf den Velo-Ergometer, um sein Laktat auszupedalen. Zudem hat er mit Kurt Kothbauer einen überragenden Kraft- und Konditionstrainer an seiner Seite.» Der Österreicher in Diensten von Swiss-Ski ist überzeugt, dass bei der Regeneration auch das Essen eine wichtige Rolle spielt. Und Odermatt ist alles andere als ein Kalorienzähler. «Wenn ich in einem Hotel am Frühstücks-Buffet stehe, lade ich genau das auf den Teller, worauf ich Lust habe.»
Leistungsfördernd sind für den Weltmeister und Olympiasieger auch die Kochkünste seiner Mama. «Wenn Marco zwischen den Rennen nach Hause kommt, mag er es besonders gerne, wenn ich ihm ein Rahmschnitzel oder etwas Thailändisches koche», verrät Priska Odermatt. Am Samstag wird ihr Bub besonders viel Appetit auf einen weiteren Triumph am Lauberhorn haben.