BLICK: Wendy Holdener, zum dritten Mal nacheinander Dritte. Zufrieden?
Wendy Holdener: Diesen Podestplatz nehme ich gerne, ja. Der Start ins Jahr ist geglückt.
Als Shiffrin im ersten Lauf über die Ziellinie fuhr, nickten Sie zuerst und schüttelten dann den Kopf. Ihre Gedanken?
Es war spannend. Ich wusste, dass mein Lauf gut war. Alle anderen, auch Vlhova, waren ja langsamer. Mich nahm es Wunder, was Shiffrin macht. Dass sie mir so viel Zeit abnehmen würde, hätte ich nicht gedacht. Darum war ich ein wenig verblüfft. Ich dachte: Hut ab, das war sackstark!
Die Schweizer Fans warten seit 150 Rennen auf einen Slalom-Sieg bei den Frauen. Was denken Sie darüber?
Heute war ich zu wenig stark für den Sieg. Ob er noch kommen wird oder nicht, weiss ich nicht. Was ich weiss: Ich kämpfe genau so weiter, bleibe fleissig und versuche, mich stets zu verbessern. Es tut mir leid, wenn die Fans warten müssen – aber ich verspreche allen: Ich gebe mein Bestes!
Vor dem Winter sagten sie: «Ich hoffe, lockerer zu werden.» Ist Ihnen das auch gelungen?
Zuletzt schon. Aber noch nicht in dem Masse, in dem ich es mir wünsche. Shiffrin fährt beispielsweise lockerer.
Weshalb gelingt Ihnen das nicht in gleichem Masse?
Ich bin enorm ehrgeizig. Diese Eigenschaft ist eigentlich gut – sie hat mich überhaupt erst da hingebracht, wo ich heute bin. Aber manchmal könnte ich etwas weniger verbissen sein. Ich arbeite daran – und dank Shiffrin habe ich immer ein Ziel vor Augen.
Shiffrin dominiert alles. Sie zeigen aber auch eine beeindruckende Konstanz, fuhren in neun von zwölf Rennen in die Top 7 und fielen nie aus.
Der Saisonstart war besser als im letzten Jahr, das ist positiv. Gleichzeitig hatte ich vor allem Anfang Winter Mühe, die letzte Überzeugung und Ruhe zu finden.
Weshalb?
Wir hatten selten konstante, gute Trainingsbedingungen. Mussten oft auf Pisten trainieren, die mit viel Salz bearbeitet worden waren. Da fuhr ich manchmal schlecht. Und dann gab es Rennen, wo die Verhältnisse ganz anders waren.
Damit mussten aber auch andere klarkommen.
Auf jeden Fall. Es liegt an mir, mich anzupassen. Das ist mir nicht immer perfekt gelungen.
Trotzdem gerieten Sie nie in ein Tief. Wäre das vor einem Jahr noch anders gewesen?
Das ist schwierig zu vergleichen. Aber ich bin stolz, dass ich trotz Anfangsproblemen immer drangeblieben bin und nicht in einen Negativstrudel gefallen bin. Heute kann
ich schlechte Situationen besser akzeptieren als früher.
Wie haben Sie das geschafft?
Das kommt wohl mit der Erfahrung. Aber ich hatte auch in diesem Winter immer wieder sehr gute Läufe – ob im Training oder im Rennen. Das hat mir Mut gemacht. Und jetzt habe ich es dreimal nacheinander aufs Podest geschafft.
Viele Menschen schauen an Silvester auf das vergangene Jahr. Sie auch?
Leider blickt man als Skifahrerin oft zu wenig zurück. Es ist schwierig, man ist immer so fokussiert. Mein Bruder Kevin hat mir aber auf Instagram eine Top-Neun-Auswahl der besten Bilder 2018 geschickt. Es war schön, zu sehen, was ich alles erreicht habe.
Sie sind Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Nimmt das den Druck für die WM in Are?
Was ich geschafft habe, kann mir niemand mehr nehmen. Es ist schön, zu wissen, dass ich schon einige Medaillen zu Hause habe (schmunzelt). Aber Druck gibt es immer.
Nach dem Slalom in Flachau folgen drei Speed-Wochenenden. Mit Ihnen?
Wir werden die Situation analysieren und entscheiden. Ich habe Lust auf Speed. Aber es geht darum, wie ich mich fühle. Was ich weiss: Ende Januar will ich vier bis fünf Trainings für die WM absolvieren und auch mal noch den Körper herunterfahren. Schliesslich steht im Februar die WM an.
Denken Sie schon daran?
Mein Rennkalender richtet sich schon danach. Das ist anders als in Wintern ohne Grossanlass.
Und sonst?
Ich habe einige Male gedacht: Hoffentlich regnet es dann nicht bei der WM.
Sie mögen eisige Pisten.
Für die hätte ich nichts gegen eiskalte Temperaturen. Meine Füsse schon eher (lacht).
Sie sind mit der Norwegerin Nina Haver-Löseth befreundet. Diese verletzte sich in Semmering bei einem Sturz schwer. Ein Schock?
Ich wusste, dass etwas geschehen war – schliesslich war ich gleich nach ihr am Start und musste warten. Aber ich war so fokussiert, dass mich ihr Sturz nicht ablenkte.
Hatten Sie Kontakt zu ihr?
Wir haben SMS geschrieben. Was passierte, tut mir sehr leid. Ich würde sie nach der Saison gerne in Norwegen besuchen gehen – wenn sie mich denn auch bei sich aufnimmt.
Welche Wünsche haben Sie für das Jahr 2019?
Die sind nicht anders als bei den meisten Menschen. Gesundheit und dass es meinen Liebsten gut geht. Und natürlich wünsche ich mir, dass ich meine sportlichen Ziele erreiche.