Nach Märchen bei Jugendspielen mit 3 Medaillen
Wird Amélie Klopfenstein unsere nächste Ski-Heldin?

Ursprünglich Ersatzfahrerin, jetzt dreifache Medaillengewinnerin an den Olympischen Jugendspielen. Die Geschichte von Amélie Klopfenstein (17) tönt wie ein Märchen. Nach dem Erfolg gehts jetzt wieder in die Schule.
Publiziert: 23.01.2020 um 13:57 Uhr
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Amélie Klopfenstein ist die grosse Überraschung der diesjährigen Olympischen Jugendspiele.
Foto: Julie Lovens
Sven Ziegler (Text) und Julie Lovens (Foto)

Eigentlich sollte sie gar nicht hier sein. Doch was Amélie Klopfenstein (17) in den vergangenen drei Wochen erlebt hat, ist ein Märchen. Es klingt wie ein Traum oder ein kitschiges Hollywood-Drehbuch. Die Skifahrerin gewinnt an den Olympischen Jugendspielen innert drei Tagen drei Medaillen, zwei Mal davon Gold. Dabei stand sie ursprünglich nicht einmal im Aufgebot, nahm diese Entscheidung aber an und erklärte sich mit der Rolle als Ersatzfahrerin einverstanden.

Eigentlich hätte Klopfenstein also in der Schule sein sollen. Die Bern-Jurassierin interessiert sich für Wirtschaft und Recht, studiert am Nationalen Leistungszentrum in Brig VS. Und sie fährt Ski, mit Leidenschaft. Seit sie drei Jahre alt ist, steht Klopfenstein regelmässig auf den Brettern. Zuerst mit der Familie, dann bei Wettkämpfen. Sie wird besser und besser, gehört bald mehreren Nachwuchskadern an. Ausser Skifahren gibts für Klopfenstein nicht mehr viele andere sportliche Betätigungen. Im Sommer fährt sie Velo, doch sobald der Schnee kommt, werden die zwei Räder gegen Bretter getauscht.

Ein grosses Talent also. Doch an die Olympischen Jugendspiele schafft sie es nur dank einer Möglichkeit in letzter Sekunde. «Mein Fokus lag voll auf der Schule und den anstehenden Prüfungen», sagt sie. Es ist eine Woche vor Beginn der Spiele in Lausanne, als sich eine Teamkollegin verletzt – und Klopfenstein als Ersatzfahrerin nachnominiert wird. «Es war eine Überraschung, ich sagte mir jedoch von Beginn weg: ‹Geniess es, aber gib dennoch Vollgas!›»

Ihre Zeit leuchtet auf. In Grün. Platz 1.

Klopfenstein rückt zusammen mit den anderen Athleten nach Lausanne ein, am Freitag der ersten Woche steht der Super-G an. Am Wettkampftag nimmt sie sich Zeit, inspiziert die Piste, «das mache ich immer sehr genau». Sie hört Musik, bis fünf Minuten vor dem Start. Voller Fokus. Dann ist sie an der Reihe, mit der Startnummer 28.

«Während dem Rennen studiere ich wenig, ich fokussiere mich einfach nur auf die Piste. Das war beim Super-G nicht anders.» Als sie unten ankommt, wandert ihr Blick in Richtung Anzeigetafel. Dort leuchtet ihre Zeit auf. In Grün. Platz 1.

«Ich war schockiert. Dass ich gerade eine Goldmedaille gewonnen hatte, realisierte ich nicht. Ich glaube, so richtig wurde mir das erst am Abend im Hotel bewusst. Ich hatte unzählige Anrufe und Glückwunsch-Nachrichten auf dem Handy. Es war unglaublich.»

Das Märchen geht weiter

Wie gut aber ist die Überraschungsfrau der Jugendspiele? Wächst da die nächste Schweizer Siegfahrerin heran? Hans Flatscher, Nachwuchsverantwortlicher von Swiss-Ski, hat den Gold-Lauf verfolgt. Er meint: «Die Piste war sehr anspruchsvoll und durchaus Weltcupwürdig. Amélie hat eine Top-Leistung erbracht.»

Doch das Märchen ist mit dem Super-G-Sieg noch nicht zu Ende. Am Samstag holt Klopfenstein Bronze in der Alpinen Kombi, am Sonntag wieder Gold, dieses Mal im Riesenslalom. «Irgendwann habe ich mich schon gefragt, was da eigentlich genau passiert», lacht sie rückblickend. In drei Tagen von der Ersatzfahrerin zur dreifachen Medaillengewinnerin – die 17-Jährige aus dem Berner Jura wird zur Heldin der Olympischen Jugendspiele.

Als Klopfenstein nach einer Woche wieder in ihren Heimatort La Neuveville BE zurückkehrt, erwartet sie eine grosse Party. Hunderte feiern ihre Fahrerin. Freunde, Bekannte, Nachbarn jubeln ihr zu, das Westschweizer Fernsehen macht eine Liveschaltung.

Szenen, an die sich die Gemeinde im Berner Jura gewöhnen muss? «So schnell geht das sicherlich nicht», sagt Flatscher. «Natürlich ist ein solcher Erfolg eine grosse Motivation und ein zusätzlicher Schub. Aber der Weg zur Profikarriere ist weit. Die Luft nach oben wird immer dünner, da muss vieles stimmen.»

Das weiss auch Klopfenstein. «Bei mir gehts jetzt so weiter wie ursprünglich geplant: Ich fokussiere mich wieder auf die Schule, hole die verpassten Prüfungen nach.». Zwischendurch erhielt sie an den Spielen Besuch aus Brig. Als sie ihre Lehrer und Klassenkollegen im Publikum entdeckte, habe sie sich riesig gefreut, sagt sie mit einem Strahlen.

Die Qualitäten stimmen

Klopfenstein erzählt ihre Geschichte nüchtern, fast ohne Emotionen. Dass sie gerade drei Medaillen gewonnen hat, merkt man ihr nicht an.

Flatscher: «Sie geht mit diesen Erfolgen sehr nüchtern um, ist für ihr Alter schon unglaublich professionell. Sie weist die richtigen Qualitäten für eine erfolgreiche Karriere auf – wenn am Ende alles zusammenpasst.»

Und Klopfenstein selbst? «Mein Traum ist es natürlich, im Weltcup zu fahren», sagt sie. Ist das realistisch? «Wir werden sehen. Es ist noch ein weiter Weg, aber alles ist möglich.»

Dass alles möglich ist, hat Amélie Klopfenstein an den Jugendspielen gleich selbst unter Beweis gestellt. Auch wenn sie eigentlich ursprünglich gar nicht hätte dort sein sollen.

Das sind die Schweizer Medaillengewinner an den Olympischen Jugendspielen

3 Medaillen
Amélie Klopfenstein (Ski Alpin): 2x Gold, 1x Bronze
Luc Roduit (Ski Alpin): 1x Silber, 2x Bronze
Siri Wigger (Langlauf): 2x Gold, 1x Silber

2 Medaillen
Thomas Bussard (Skitouren): 2x Gold
Robin Bussard (Skitouren): 1x Gold, 1x Silver
Thibe Deseyn (Skitouren): 1x Gold, 1x Silber
Anouk Dörig (Snowboard Cross): 1x Gold, 1x Bronze
Marie Krista (Skicross): 2x Gold
Valerio Jud (Snowboard Cross): 2x Gold
Caroline Ulrich (Skitouren): 2x Gold

1 Medaille
Nubya Aeschlimann (Eishockey): 1x Gold
Valerie Christmann (Eishockey): 1x Bronze
Bianca Gisler (Snowboard): 1x Bronze
Angelina Hirschler (Eishockey): 1x Silber
Jan Hornecker (Eishockey): 1x Silber
Nick Pünter (Snowboard): 1x Bronze
Livio Summermatter (Skeleton): 1x Bronze
Robin Tissieres (Snowboard Cross): 1x Gold
Lena Volken (Ski Alpin): 1x Silber
Berenice Wicki (Snowboard): 1x Bronze
Sandro Zurbrügg (Ski Alpin): 1x Silber

3 Medaillen
Amélie Klopfenstein (Ski Alpin): 2x Gold, 1x Bronze
Luc Roduit (Ski Alpin): 1x Silber, 2x Bronze
Siri Wigger (Langlauf): 2x Gold, 1x Silber

2 Medaillen
Thomas Bussard (Skitouren): 2x Gold
Robin Bussard (Skitouren): 1x Gold, 1x Silver
Thibe Deseyn (Skitouren): 1x Gold, 1x Silber
Anouk Dörig (Snowboard Cross): 1x Gold, 1x Bronze
Marie Krista (Skicross): 2x Gold
Valerio Jud (Snowboard Cross): 2x Gold
Caroline Ulrich (Skitouren): 2x Gold

1 Medaille
Nubya Aeschlimann (Eishockey): 1x Gold
Valerie Christmann (Eishockey): 1x Bronze
Bianca Gisler (Snowboard): 1x Bronze
Angelina Hirschler (Eishockey): 1x Silber
Jan Hornecker (Eishockey): 1x Silber
Nick Pünter (Snowboard): 1x Bronze
Livio Summermatter (Skeleton): 1x Bronze
Robin Tissieres (Snowboard Cross): 1x Gold
Lena Volken (Ski Alpin): 1x Silber
Berenice Wicki (Snowboard): 1x Bronze
Sandro Zurbrügg (Ski Alpin): 1x Silber

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