Die Stimmung hat sich in Garmisch innerhalb von 24 Stunden komplett gedreht. Während vor dem Super-G am Samstag aufgrund der völlig aufgeweichten Piste die Nerven bereits bei der Besichtigung blanklagen, schauen die meisten Beteiligten vor dem zweiten Super-G auf der Kandahar äusserst zufrieden aus der Wäsche. «Mir war bereits bei der Besichtigung vom zweiten Tor klar, dass das ein super Rennen wird», gibt Marco Odermatt zu Protokoll. Weil die Nacht von Samstag auf Sonntag glasklar war und die Streckenarbeiter einen herausragenden Job gemacht haben, präsentiert sich die Piste wunderbar kompakt.
Auf einer Stufe mit Bode Miller
Und bei diesen Bedingungen beweist Odermatt ein weiteres Mal, dass er der beste Skirennfahrer der Gegenwart ist. Der Nidwaldner fährt nach dem vierten Platz am Vortag seinen 33. Weltcupsieg ein und zieht damit im ewigen Ranking mit Amerikas Alpin-Denkmal Bode Miller gleich. Mit diesem Triumph gelingt dem 26- Jährigen aber auch die Vorentscheidung im Kampf um die kleine und grosse Kugel. In der Super-G-Gesamtwertung liegt Odermatt bei zwei verbleibenden Rennen 121 Punkte vor dem Österreicher Vincent Kriechmayr. Im Gesamtweltcup beträgt der Vorsprung des Titelverteidigers auf Cyprien Sarrazin 722 Zähler.
Was Odermatt zudem in die Karten spielt, ist die Tatsache, dass der Franzose nächste Woche in Chamonix seinen Heimvorteil nicht wird ausnützen können, weil die beiden Abfahrten am Fusse des Mont Blanc wegen Schneemangel abgesagt wurden. «Diese Absage kommt mir nach den sehr anstrengenden letzten Wochen definitiv nicht ungelegen, weil ich somit nächste Woche eine Pause erhalte. Ohne die Chamonix-Absage hätte ich auf den Riesenslalom in Bansko verzichtet. Aber aufgrund des neuen Programms werde ich übernächste Woche voraussichtlich nach Bulgarien fliegen.»
Von Allmens bewegende Geschichte
Odermatt ist aber nicht der einzige Schweizer, der ausgesprochen gut gelaunt aus Garmisch abreist. Der Berner Oberländer Franjo von Allmen erlebt in Oberbayern den schönsten Tag in seiner noch jungen Karriere - der 22-Jährige schafft als Dritter erstmals den Sprung auf das Weltcup-Podest. Und das in seinem erst zwölften Weltcuprennen. Dabei hat der gelernte Zimmermann während seiner Fahrt alles andere als ein gutes Gefühl. «Bis zum Blick auf die Zeiten-Tafel war ich der Meinung, dass meine Fahrt richtig scheisse, viel zu wild, war. Aber offensichtlich war es schnell», erzählt von Allmen und strahlt übers ganze Gesicht. Aber auch in dieser besonders schönen Stunde wird der Boltiger an den traurigsten Moment in seinem Leben erinnert.
«Franjo fährt grandios Ski»
Franjo war 17, als sein Vater starb. «Damals war auch die Fortsetzung von meiner Rennfahrer-Karriere auf der Kippe», erinnert sich FvA. Die Fortsetzung von Franjos Ski-Laufbahn war zu diesem Zeitpunkt auch aus finanziellen Gründen gefährdet. «Doch dann wurde die Idee von der Lancierung eines Crowdfundings an mich herangetragen. Dadurch ist so viel Geld zusammengekommen, dass ich eine weitere Saison finanzieren konnte. Und nach dieser Saison habe ich den Sprung ins Swiss-Ski-Kader geschafft.»
Von Allmens Entwicklung löst auch bei Superstar Odermatt totale Begeisterung aus: «Franjo fährt grandios Ski. Ich bin mir sicher, dass wir ihn in Zukunft sehr, sehr, sehr oft auf dem Podest sehen.» Zumal von Allmen seit letztem Frühling von Odermatts WG-Partner Gabriel Gwerder geschliffen wird – der Schwyzer ist für das Kraft- und Konditionstraining des Youngsters zuständig, der ehemalige Weltcup-Abfahrer Vitus Lüönd coacht von Allmen auf der Skipiste.