Die Kritik an Lauberhorn-Boss Näpflin wächst
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Mit dem Kopf durch die Wand
Die Kritik an Lauberhorn-Boss Näpflin wächst

Wie konnte es zu dieser Eskalation rund um die Lauberhornrennen in Wengen kommen? Es hat mit Menschen und deren Schwächen zu tun. Und einer gewissen Überheblichkeit im Berner Oberland.
Publiziert: 24.05.2020 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2020 um 12:47 Uhr
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Um die Lauberhorn-Rennen ist ein Zoff entbrannt.
Foto: Sven Thomann
Von Felix Bingesser und Marcel W. Perren

Die Lauberhornrennen sind ein Monument. Ein sportliches Spektakel vor grandioser Kulisse. Zusammen mit den Swiss Indoors und dem Meeting Zürich der wichtigste jährliche Sport­anlass. Mit nationaler Klammerfunktion und interna­tionaler Strahlkraft. Gegründet 1930 von Ernst Gertsch, ab 1972 wunderbar verwaltet von seinem Sohn Viktor. 86 Jahre in Familienhand, das ist Weltrekord. Und Teil des Mythos.

Wie konnte es so weit kommen, dass ein Anlass mit solcher Bedeutung ins Wanken gerät und derzeit tatsächlich gefährdet ist? Wie konnte es so weit kommen, dass man sich gegenseitig hochgeschaukelt hat und die Eskalationsspirale nicht mehr zu kontrollieren war?

Das hat, natürlich, mit Menschen, mit Eitelkeiten, auch mit einem gewissen Starrsinn zu tun. Es gibt zwei Arten von Menschen in den Bergen. Die schlauen, pfiffigen, mit leisem Auftreten. Die werden gerne unterschätzt. Aber wissen genau, was sie wollen und wie sie zum Ziel kommen. Zu denen gehörte Viktor Gertsch. Ein pfiffiger Bergler, aber weltgewandt. Ein Kosmopolit getarnt unter der Skijacke. Er war lange Zeit in den USA, er hat sich in allen Welten bewegt und alle Stürme und Unwägbarkeiten mit seiner Empathie und seiner Schlauheit gemeistert. Er war ein Charmeur mit Witz und Pfiff.

Ein starrsinniger Bergler

Sein Nachfolger Urs Näpflin gehört zur zweiten Sorte. Er ist ein bodenständiger Schaffer, war viele Jahre ein tüchtiger Rennleiter, bevor er in die grossen Schuhe von Viktor Gertsch schlüpfte. Nach­folger eines solch charisma­tischen und charmanten Gentlemans zu werden, ist schwierig. Näpflin ist eher einer, der mit dem Kopf durch die Wand geht. Die feine Klinge ist nicht seine Kernkompetenz. Er hat seine Prinzipien, ist enorm fleissig, aber gehört zur eher starrsinnigeren Sorte der Bergler.

«Wir» haben die imposanten Berge und die Natur! Eiger, Mönch und Jungfrau sind «unser» Kapital. Diese immer wieder geäusserte, aber doch etwas verschrobene Sicht auf «heimat­liches Kulturgut» wiegt die Wengener auch im falschen Glauben, bezüglich der Lauberhornrennen am längeren Hebel zu sein.

Mit diesem Selbst­verständnis und der Überzeugung «Nicht mit uns!» hat sich Näpflin mit Urs Lehmann angelegt. Mit dem Mann, der Swiss-Ski saniert und zu neuen Höhen geführt hat. Der smarte Marketing- und Wirtschaftsfachmann mit Doktortitel und Eloquenz lässt sich nicht beeindrucken. Und mit dem Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof hat das Lauberhorn-OK eine rote Linie überschritten und den Zwist eskalieren lassen. Schlau ist, wer weiss, mit wem er in den Ring steigt und wie weit man mit seinen Forderungen gehen kann.

Der Eindruck verfestigt sich, dass sich der tüchtige Näpflin vergaloppiert hat. Und sich auf einen Machtkampf einlässt, den er nicht gewinnen kann. Die Argumente des in dieser Sache ebenfalls kompromisslos agierenden Lehmann sind stichhaltiger und überzeugender. Dass man einen VIP-Bereich betreibt, der nicht kostendeckend ist, ist ein Unding. Dass man im Bereich Marketing mehr herausholen müsste, kann bei einem Anlass dieser Grösse und dieser Ausstrahlung belegt werden. Weil man mehr Geld braucht und einfach nur Swiss-Ski zu betreiben, ist etwas gar simpel. Der Schweizer Skisport, und da ist Wengen ein Bestandteil davon, braucht jeden Franken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Da nützt es tatsächlich nicht, wenn Geld von der rechten Hosentasche in die linke verschoben wird.

Aus Näpflins Spass kann Ernst werden

«Eher wird das Matterhorn versetzt, als dass die Lauberhornrennen ins Wallis zügeln», hat Urs Näpflin im letzten Januar gescherzt. Schon oft kam es anders. Und aus Spass wurde Ernst. Zumal der Einfluss seines Kontrahenten Lehmann im Skisport noch wachsen wird. Er hat gute Chancen, neuer Präsident des Internationalen Skiverbandes FIS zu werden. Und auch ein Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs zugunsten von Wengen wäre nie zielführend, und das Problem wäre nicht gelöst.

Auch darum wird die Kritik am Lauberhorn-Chef Näpflin auch im eigenen Umfeld lauter. Er moderiert diesen Zwist mit Swiss-Ski nicht gut. Und gerät unter Druck. Die Jungfrau-Bahnen, mit fast zwei Millionen Geld- und Materialleistungen wichtigster Partner der Lauberhornrennen, verhalten sich ruhig. Direktor Urs Kessler sagt: «Wir bedauern natürlich die Entwicklung. Aber mehr möchte ich dazu zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Es braucht im Moment keinen dritten Urs.»

Andere werden deutlicher. Ulo Gertsch, der Bruder des legendären Viktor, sagt: «Wäre Viktor noch am Steuer, es wäre nie so weit gekommen. Er war nicht nur ein PR-Genie, Viktor war auch ein Diplomat. Und die für alle Parteien passende Lösung wurde oft erst zu später Stunde gefunden. Oft hat er eine brenzlige Situation entschärft, indem er für sich und seine Gegenspieler eine Runde Whisky bestellt hat.»

Der Liechtensteiner Konrad Schädler war als Rennfahrer mit dem am Lauberhorn tödlich verunfallten Gernot Reinstadler befreundet. Ab 2004 arbeitete er auf verschiedenen Posten, zuletzt war er Chef vom Hundschopf. Nach einem heftigen Krach mit Urs Näpflin wurde er Alpin-Chef beim Liechtensteiner Skiverband.

Der Imageschaden ist da

Schädler sagt: «Näpflin duldet als Chef von seinen Mitarbeitern nicht die leiseste Widerrede. Als er noch Rennleiter war, habe ich einige Jahre gut mit ihm zusammengearbeitet, bis ich angefangen habe, gewisse Entscheidungen von ihm zu hinterfragen. Von da an war unser Verhältnis gestört. Näpflin hat ebenfalls sehr empfindlich da­rauf reagiert, wenn für einmal nicht er, sondern seine Mitarbeiter im Zentrum der Berichterstattung standen. Als mich das Schweizer Fernsehen einmal während zwölf Stunden bei der Arbeit am Hundschopf begleitet hat, hat er mich am nächsten Tag nicht mehr gegrüsst. Und mir vorgeworfen, nicht teamfähig zu sein. Das war dann das Ende unserer Zusammenarbeit.»

Und ein ehemaliges OK-Mitglied sagt: «Ich bin zurückgetreten, weil ich nicht dahinter stehen konnte, dass so viel Geld in einen gigantischen Hospitality-Bereich investiert wird, der meiner Meinung nach nie selbsttragend sein kann. Ich bin überzeugt, dass man in Wengen mit einer vernünftigeren Finanzpolitik nach wie vor schwarze Zahlen schreiben könnte.»

Es wird und muss eine Lösung geben. Am nächsten Donnerstag lädt Sportministerin Viola Amherd zum Krisengipfel. Aber selbst wenn sie diesen gordischen Knoten lösen kann: Der Imageschaden ist da, und das Unverständnis bei ganz vielen Menschen über diesen unwürdigen Krach ist enorm. Natürlich: Zum Streiten braucht es zwei. Und einzig Näpflin zum Sündenbock zu stempeln, ist zu einfach.

Aber klar ist: Mit Viktor Gertsch wäre es kaum zu dieser Eskalation gekommen. Aber Viktor sitzt im Himmel und wird sich seine Sache denken.

Hoffentlich bei einem Glas Whisky.

Hoffnung herrscht!

Ein Gastkommentar von Adolf Ogi

Jetzt ist es nicht mehr nur ein Pro­blem der Finanzen. Es ist ein übergeordnetes Problem geworden. Ein Problem, das durch Vernunft gelöst werden muss. Durch Einsicht!

Und dies nicht nur im Interesse von Wengen und des Skiverbandes. Sondern im Inte­resse des Schweizer Sports. Das Lauberhornrennen ist mehr als ein Sportanlass. Es ist ein Unikat. Die beste Sport­marke der Schweiz mit weltweiter TV- Resonanz.

Beschützt von Eiger, Mönch und Jungfrau. Eingebettet in eine Landschaft, die ihresgleichen in der Welt sucht. Es liegt ein Zauber über dem Lauberhorn. Weltweit beachtet und respektiert. 90 Jahre Tradition. Anders als die anderen. Aber auch vom Guggiföhn nicht weggeblasen. Jetzt muss es gerettet werden. Rasch!

Durch Einsicht und Absicht. Damit der Schaden für den Sport und den Tourismus nicht noch grösser wird. Die Lösung ist der Kompromiss. Kommt dieser nicht zustande, dann tragen die Streitenden eine Verantwortung, die nie mehr weggelegt werden kann. Und die für lange Zeit tiefe Wunden hinterlässt. Das hätte dann mit dem sprichwörtlichen Sportsgeist nicht mehr viel zu tun. Weil Partikularinte­ressen über Gesamt­interessen gestellt würden.

Um das so zu sehen, braucht es keine Gerichte. Es braucht den Mut, Fehler einzugestehen. Marketingbestrebungen zu professionalisieren. Neue Geldquellen zu erschliessen. Den Schritt in die Moderne zu wagen. Zur Freude unzähliger Schweizerinnen und Schweizer und als Dank an die treue Gefolgschaft der Lauberhornrennen.

Der Mythos Lauberhorn ist andernorts nicht zu ersetzen. Bundesrätin und Sportministerin Viola Amherd hat die Vermittlerrolle übernommen. Das ist sehr gut und zeigt die Bedeutung dieses Anlasses. So wird am Donnerstag im Bundeshaus aus dem Krisengipfel sicher ein Friedens­gipfel. Hoffnung herrscht! Alles andere wäre eine bittere Enttäuschung.

Ein Gastkommentar von Adolf Ogi

Jetzt ist es nicht mehr nur ein Pro­blem der Finanzen. Es ist ein übergeordnetes Problem geworden. Ein Problem, das durch Vernunft gelöst werden muss. Durch Einsicht!

Und dies nicht nur im Interesse von Wengen und des Skiverbandes. Sondern im Inte­resse des Schweizer Sports. Das Lauberhornrennen ist mehr als ein Sportanlass. Es ist ein Unikat. Die beste Sport­marke der Schweiz mit weltweiter TV- Resonanz.

Beschützt von Eiger, Mönch und Jungfrau. Eingebettet in eine Landschaft, die ihresgleichen in der Welt sucht. Es liegt ein Zauber über dem Lauberhorn. Weltweit beachtet und respektiert. 90 Jahre Tradition. Anders als die anderen. Aber auch vom Guggiföhn nicht weggeblasen. Jetzt muss es gerettet werden. Rasch!

Durch Einsicht und Absicht. Damit der Schaden für den Sport und den Tourismus nicht noch grösser wird. Die Lösung ist der Kompromiss. Kommt dieser nicht zustande, dann tragen die Streitenden eine Verantwortung, die nie mehr weggelegt werden kann. Und die für lange Zeit tiefe Wunden hinterlässt. Das hätte dann mit dem sprichwörtlichen Sportsgeist nicht mehr viel zu tun. Weil Partikularinte­ressen über Gesamt­interessen gestellt würden.

Um das so zu sehen, braucht es keine Gerichte. Es braucht den Mut, Fehler einzugestehen. Marketingbestrebungen zu professionalisieren. Neue Geldquellen zu erschliessen. Den Schritt in die Moderne zu wagen. Zur Freude unzähliger Schweizerinnen und Schweizer und als Dank an die treue Gefolgschaft der Lauberhornrennen.

Der Mythos Lauberhorn ist andernorts nicht zu ersetzen. Bundesrätin und Sportministerin Viola Amherd hat die Vermittlerrolle übernommen. Das ist sehr gut und zeigt die Bedeutung dieses Anlasses. So wird am Donnerstag im Bundeshaus aus dem Krisengipfel sicher ein Friedens­gipfel. Hoffnung herrscht! Alles andere wäre eine bittere Enttäuschung.

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