Es sind Momente, die richtig tief unter die Haut gehen. Als der Genfer Tanguy Nef (23) mit dem achten Rang das zweitbeste Weltcup-Ergebnis seiner Karriere einfährt, flippt sein vier Jahre jüngerer Bruder Arsène aus. Er hüpft im Zielraum von einem Bein aufs andere und schreit immer wieder «Tanguy, Tanguy».
Nach ein paar Minuten kommt Tanguy an den Zaun, der die Rennfahrer von den Angehörigen und den Journalisten abgrenzt, nimmt Arsène mit wässerigen Augen in die Arme und schenkt ihm die Startnummer. «Arsène ist nicht nur mein Bruder, er ist auch mein grösster Fan», erzählt Tanguy. Arsène Nef leidet unter dem Sotos-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine genetische Mutation, die bei der Geburt auftritt und die geistige Entwicklung beeinträchtigt.
«Mein Bruder kann zwar alles machen, aber er braucht für alles viel länger. Er ist jetzt 19 und tut sich beim Lesen und Rechnen sehr schwer», sagt der Slalom-Artist.
Arsène Nef will an den Special Olympics dabei sein
Aber genau wie sein «Big Brother» Tanguy ist auch Arsène ein leidenschaftlicher Skirennfahrer. Für beide geht es nächste Woche um besonders viel. «Während ich den Slalom in Kitzbühel bestreiten werde, wird Arsène in Villars die Qualifikation für die Special Olympics bestreiten. Im Gegensatz zu mir weiss er aber nicht, was Leistungsdruck bedeutet.»
Dass aber auch Tanguy Nef sehr gut mit Druck umgehen kann, hat er bereits vor zwei Wochen bei seinem sechsten Rang in Madonna di Campiglio bewiesen. «Man merkt diesem Burschen deutlich an, dass er neben dem Rennsport in Amerika Wirtschaft und Informatik studiert», sagt Sigi Voglreiter, Rennleiter bei Nefs Ski-Ausrüster Fischer. «Tanguy hat ein so grosses Selbstvertrauen, wie es im Normalfall nur Amerikaner haben», hält Voglreiter fest. Tanguy Nef nickt: «Der Gewinn von einer Medaille bei den nächsten Olympischen Spielen ist mein klares Ziel.»
Nummer 3 im Schweizer Team
Im Schweizer Slalom-Team ist er derzeit die Nummer 3 hinter Daniel Yule und Ramon Zenhäusern, wie auch das Wengen-Resultat zeigt: Madonna- und Adelboden-Sieger Yule verpennt gestern als Zwölfter den ersten Lauf. Dank der drittbesten Laufzeit im Final belegt er in der Endabrechnung zeitgleich mit Zenhäusern Rang 5. Die Walliser verpassen den 3. Rang um nur sieben Hundertstel.
Dass es im Leben aber sehr viel grössere Probleme gibt als ein knapp verpasster Podestplatz, zeigt die Geschichte von Arsène Nef.