Mélanie Meillard, 410 Tage haben Sie gewartet, gelitten und geschuftet. Nun sind Sie zurück auf den Ski. Was ist das für ein Gefühl?
Mélanie Meillard: Es tut mir extrem gut. Es ist so cool. Der allererste Schwung auf dem Schnee war aber sehr seltsam. Ich hatte Angst, dass ich die Kurve nicht hinkriegen würde. Nun weiss ich, dass mein Knie gut reagiert.
Was bedeutet Ihnen das?
Ich fühle mich frei wie ein Vogel (lacht)!
Was haben Sie in der langen Zeit seit Ihrem Sturz im Riesenslalom-Training gelernt?
Ich höre jetzt mehr auf den Körper.
Ein Beispiel?
Ich höre im Training auf, bevor die Schmerzen zu gross werden. Es bringt nichts, immer weiterzumachen.
Und neben dem Sport?
Ich unternahm Dinge, für die ich sonst kaum Zeit hatte. Ging mit Freunden aus, war in Punta Cana in den Ferien – alles wunderbar.
Wie geht es dem operierten Knie?
Alles läuft nach Plan. Aber ich habe manchmal noch Schmerzen, ich muss immer aufpassen. Sie sind jedoch viel geringer als nach der ersten Operation.
Ihr Rezept, um nicht an die Schmerzen denken zu müssen?
Es gibt keines. Man muss sie akzeptieren.
Wie sehr hat es Sie mitgenommen, als klar wurde, dass Sie nochmals operieren mussten?
Nach der ersten Operation machte ich Fortschritte, doch irgendwann ging nichts mehr. Die Schmerzen wollten einfach nicht abklingen – egal, was ich machte. Das hat sich in mein Hirn eingebrannt. Es gibt mittlerweile Übungen, bei denen ich recht Respekt habe. Die ich nicht mehr machen möchte – obwohl ich sie kann. Ich habe Angst vor ihnen.
Eine mentale Blockade?
Ich würde nicht von einer mentalen Blockade sprechen, da ich die Übungen ja mache. Aber es ist schon so, dass ich bei einigen Übungen Hemmungen habe. Da spielt das Mentale schon eine Rolle. Etwas in der Art, ja. Das passiert oft unbewusst. Aber es gibt zum Glück immer alternative Übungen.
Stört Sie die grosse Narbe, die durch die Operation entstand?
Nein. Ich habe halt nur noch ein schönes Knie (lacht)!
Ihre Fröhlichkeit ist Ihr Markenzeichen. Wäre das auch so, wenn Sie nie mehr Ski fahren könnten?
Nein. Ich wäre nicht mehr der gleiche Mensch.
Sie haben eine KV-Lehre gemacht.
Ganz ehrlich: Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen, als Ski zu fahren. Es ist das, was ich in meinem Leben machen möchte.
Wie wäre es, wenn Sie in einem Büro arbeiten müssten?
Das ist unvorstellbar. Ich finde, es gibt keine bessere Lebensschule als den Sport. Bewegung und draussen in der Natur zu sein, sind mir sehr wichtig. Ich bin völlig unabhängig – das gefällt mir. Gleichzeitig liebe ich die Atmosphäre im Team. Mit Wendy und Michelle (Holdener und Gisin, Anm. d. Red.) gibt es immer wieder viel zu lachen – ich freue mich, sie bald wiederzusehen.
Wie geht es weiter?
Ich hoffe, Ende Juli wieder mit dem Team auf den Gletscher zu können.
Werden Sie beim Saisonstart in Sölden wieder bei 100 Prozent sein?
Erst, wenn ich die ersten Tore fahre, kann ich etwas sagen. Im Sommer weiss ich es. Das Ziel ist, in Sölden an den Start zu gehen.
Aber?
Vielleicht wird das Comeback im Riesenslalom schwieriger als im Slalom. Da geht alles schneller, zudem bin ich beim Riesen-Training gestürzt – es könnte im Kopf etwas härter werden. Nun freue ich mich aber, überhaupt wieder auf den Ski zu stehen.