Priska Odermatt hat ein echtes Luxusproblem. Ihr berühmter Sohn Marco bringt mit seinen Seriensiegen immer wieder die Hausordnung durcheinander! «Meine Mama legt zu Hause grössten Wert auf Ordnung. Deshalb freut sie sich nicht immer, wenn ich wieder mit einer neuen Siegertrophäe nach Hause komme», sagt der dreifache Gesamtweltcupsieger und schmunzelt.
Vor knapp fünf Jahren hat sich Odermatt gemeinsam mit seinem Jugendfreund und Konditionstrainer Gabriel Gwerder in Beckenried eine WG eingerichtet. Sein Kinderzimmer in seinem Elternhaus in Buochs wurde in eine Trophäen-Kammer umfunktioniert. Seine Mutter hat auf knapp zwanzig Quadratmetern sämtliche Siegerpokale, Goldmedaillen sowie die roten Leader-Startnummern platziert.
«Obwohl bereits diverse Pokale für zweite und dritte Ränge nach Malters in die Vitrine seines Skiausrüsters Stöckli ausgelagert wurden, musste ich Marco kürzlich mitteilen, dass es in seinem Zimmer keinen Platz mehr für neue Preise gibt», hält Priska Odermatt fest. Doch plötzlich entdeckt die 57-Jährige auf dem Regal neben den zwei silbrigen Gämsen aus Kitzbühel doch noch eine Lücke: «Für eine goldene Kitzbühel-Gams hätte ich hier noch Platz …»
Der Sieg auf der «Streif» ist auch Odermatts grösstes Ziel im kommenden WM-Winter. «Weltmeister, Olympiasieger und Gesamtweltcupsieger bin ich ja schon. In Kitzbühel war ich bis dato aber noch nie besser als Zweiter. Das möchte ich in diesem Winter ändern.»
Odermatts Mama weiss schon jetzt, dass sie am Tag der Hahnenkamm-Abfahrt höllisch leiden wird. «Ich kann auch mit den Dezember-Rennen in Beaver Creek, Val-d’Isère, Val Gardena, Alta Badia und Bormio gut leben. Aber bei den Abfahrtsklassikern im Januar in Wengen und Kitzbühel beginnen meine Nerven zu flattern, da kann ich wirklich fast nicht hinsehen. Ich kann nur hoffen, dass Marco auf der Jagd nach der goldenen Kitzbühel-Gams nicht zu viel riskieren wird.» Damit ihr Marco bei seinen waghalsigen Abfahrten den himmlischen Beistand erhält, ist die Mama letzte Woche nach Einsiedeln gefahren und hat im Kloster eine Kerze angezündet.
Im Februar hat die Mama ihn gerettet
Unterhalb der silbernen Kitzbühel-Trophäen hat die gelernte Sekretärin Marcos Siegerpreis des letzten Riesenslaloms in Palisades Tahoe platziert. An diesem Pokal hat die liebevolle Mutter des dreifachen Schweizer Sportlers des Jahres einen besonders grossen Anteil. Warum? Vor dem Abflug in die USA bemerkte Odermatt im vergangenen Februar erst bei der Zollkontrolle, dass er seinen Reisepass zu Hause vergessen hat. Als er völlig verzweifelt bei der Mama anrief, war es kurz nach 8 Uhr.
«Weil die Abflugzeit bereits um 9.30 war und ich ja erst noch von unserem Haus in Buochs in die WG nach Beckenried fahren musste, glaubte ich nicht, dass ich rechtzeitig am Flughafen eintreffe. Aber weil mir Marco versichert hat, dass er sämtliche Bussen bezahlen werde, bin ich so schnell wie nie zuvor ‹losgerohrt›!» Nur weil die sonst so vorsichtige Autolenkerin aus dem Kanton Nidwalden an diesem Morgen auf der Autobahn über sich hinauswuchs, ist ihr berühmter Sohn rechtzeitig in Kalifornien gelandet.
«Ich habe Marco selten so dankbar erlebt wie an diesem Morgen. Und er hat mir später einen wunderschönen Blumenstrauss geschenkt.» Es komme sowieso fast nie vor, dass Marco mit leeren Händen nach Hause komme. «Unser Sohn ist ein sehr grosszügiger Mensch.»
Priska Odermatt macht sich nochmals Gedanken, wie sie in Marcos Kinderzimmer Platz für weitere Siegertrophäen schaffen könnte. «Würde ich das Bett herausnehmen, könnte man an dieser Stelle ein paar Pokale platzieren.» Doch kaum hat die waschechte Nidwaldnerin diesen Gedanken ausformuliert, kommt sie wieder davon ab: «Es kommt ja immer noch vor, dass Marco bei uns zu Mittag isst. Danach legt er sich gerne für ein paar Minuten auf sein Bett. Somit muss es bis auf Weiteres bleiben, wo es ist.» Und die ordnungsliebende Mama Odermatt wird aller Voraussicht nach noch lange ein Luxusproblem haben.