Es ist ein echter Knaller – im Trainingscamp auf der Lenzerheide absolvieren Marco Odermatt, Gino Caviezel und Justin Murisier vor knapp zwei Wochen einen Biathlon auf Rollski. Caviezel geniesst bei dieser Aktion Heimvorteil: «Ich wohne auf der Lenzerheide und habe schon einmal einen Sommer-Biathlon absolviert. Deshalb weiss ich, dass eine Einheit auf dieser vielfältigen Strecke eine geniale Abwechslung zum Aufbautraining im Kraftraum darstellt.»
Murisier hat als Biathlet zwar noch keine Erfahrungen gesammelt, dafür hat er im Winter 2019 bewiesen, dass er die Skating-Technik mit den Langlauf-Ski beherrscht: «Weil ich Sommer zuvor den dritten Kreuzbandriss erlitten habe, konnte ich mich nicht für die WM in Are qualifizieren. Stattdessen habe ich in zwei Stunden und drei Minuten den Engadiner Ski-Marathon gemeistert.»
«Ich bin der einzige richtige Mann in unserer Trainingsgruppe!»
Mit den schmalen Langlauf-Latten kann auch der dreifache Alpin-Gesamtweltcupsieger Odermatt ganz ordentlich umgehen. Doch die zweite Disziplin im Biathlon bereitet dem Superstar vom Vierwaldstättersee Sorgen: «Ich habe in meinem Leben bislang ein einziges Mal mit einem Gewehr geschossen. Das war vor Jahren mit meinem Kumpel Gabriel Gwerder im Muotathal. Während meiner Sportler RS in Magglingen hatten wir keine Schiessausbildung.»
Kollege Murisier konstatiert augenzwinkernd: «Ich bin der einzige richtige Mann in unserer Trainingsgruppe, schliesslich habe ich in meiner Rekrutenschule mit dem Sturmgewehr noch richtig schiessen gelernt.» Bei der Übergabe des Materials wirkt aber auch der Walliser stark verunsichert: «Ich habe mich auf den Rollski anfänglich überhaupt nicht wohlgefühlt!»
Weil die 2,5 Kilometer lange Asphalt-Strecke in der Biathlon-Arena, in der im kommenden Winter die WM ausgetragen wird, eine giftige Abfahrt beinhaltet, kommt bei den alpinen Haudegen der Gedanke an einen Spezialschutz auf. «Wir waren vor der ersten Runde alle etwas nervös. Und insbesondere Odi hat daran gedacht, dass er sich für diese Aufgabe mit Protektoren schützt», stichelt Caviezel. Odermatt winkt ab: «Als ich gesehen habe, dass selbst kleine Mädchen diese Strecke ohne Schienbeinschoner absolvieren, war das Protektoren-Thema schnell vom Tisch, obwohl man in dieser Abfahrt rund 50 km/h erreicht und ein Abflug auf dem Asphalt schmerzliche Folgen haben könnte.»
Fünf Nuller im Stehen!
Letztlich meistern Odermatt und Co die Laufstrecke aber souverän. Doch am Schiessstand offenbart der Nidwaldner, der in den letzten vier Jahren 37 Weltcupsiege eingefahren hat, wie erwartet Schwächen. Vor allem im Stehendanschlag. Während Caviezel und Murisier immerhin drei von fünf Scheiben treffen, wartet Odermatt mit fünf Nullern auf. «Ich hatte bei diesem Schiessen wirklich kein Stich», resümiert der Weltmeister und Olympiasieger.
Mit einer überragenden Laufleistung kommt Odermatt seinen Teamkollegen zwar noch einmal ganz nahe, letztlich muss sich der 26-Jährige aber von Murisier (Sieger) und Caviezel geschlagen geben. Wetten, dass sich Odermatt auf der Skipiste revanchieren wird?