81 Tage ist es her, seit Marcel Hirscher den Rücktritt erklärt hat. Mit gerade mal 30 Jahren hat er seine Karriere am 4. September 2019 offiziell beendet. Sein Palmarès ist dennoch mehr als beeindruckend: 67 Weltcuprennen, zweimal Olympia- und siebenmal WM-Gold sowie achtmal in Serie den Gesamtweltcup hat er gewonnen.
Nun gewährt Hirscher seinen Fans einen Einblick hinter die Kulissen. In seiner am Montag erscheinenden Biografie kommen nicht nur die Schattenseiten des Erfolges zur Sprache, er lässt auch tief in sein Inneres blicken.
Zwei Siege mit Konsequenzen für die ganze Familie
Besonders brisant ist das Geständnis von Morddrohungen gegen ihn und seine ganze Familie. «Wir sind alle miteinander daheim gesessen, ich wurde von Leibwächtern bewacht und wir alle waren der Verzweiflung nahe.» Auslöser für diese Ausnahmesituation war die sogenannte «Einfädler-Affäre».
Nachdem Hirscher im Januar 2012 innert drei Tagen die beiden Slaloms in Zagreb und Adelboden gewann, tauchten plötzlich Videos auf. Ihre Quelle war anonym, ihr Inhalt bot dafür umso mehr Zündstoff. Denn sie sollten beweisen, dass der Österreicher bei seinen beiden Siegen eingefädelt hatte. Das liessen auch seine damaligen Konkurrenten nicht auf sich sitzen. Der Kroate Ivica Kostelic etwa fühlte sich um seinen Heimsieg betrogen und bezichtigte Hirscher anschliessend der Unsportlichkeit. Bewiesen wurden die Einfädler indes nie, die FIS sprach ihn vom Verdacht frei.
Sein Erfolg brachte weitere Schattenseiten mit sich. Das erfuhr Hirscher am eigenen Leib. «Niemand hat mich auch nur im Geringsten darauf vorbereitet, was passiert, wenn du mit Anfang 20 als Österreicher den Gesamt-Weltcup gewinnst, im Rampenlicht stehst und bei der Heim-WM Weltmeister wirst.»
Seine Frau lernte ihn als Nobody kennen
Aber nicht nur ihm ging es so. Auch seine heutige Ehefrau Laura war beim Kennenlernen nicht darauf vorbereitet, auf was sie sich einlässt. «Sie hat mich als Nobody kennengelernt. Sie ist mit mir den gesamten Weg gegangen. Ohne Laura würde es all diese Kugeln und Medaillen nicht geben, ganz sicher nicht ...», gibt es von Hirscher eine Liebeserklärung, die aber sogleich einen faden Beigeschmack erhält.
Denn, dass man seine Laura als «First Lady im österreichischen Skisport» bezeichnete, passt dem 30-Jährigen gar nicht. Er nennt es in seiner Biografie einen völligen Blödsinn. Ausserdem konnte Laura «plötzlich nicht mehr in die Discos und Klubs gehen, in denen sie sonst gerne war. Weil alle gesagt haben: ‹He, zahl amal a Runde!› Nur, weil sie sich in den ‹Falschen› verliebt hat!? Sie hat sich wirklich einiges anhören müssen.»
«Manchmal ist es mir selbst ein Rätsel»
Natürlich kommen auch die sportlichen Aspekte seines Lebens nicht zu kurz. Und da kommt heraus, dass Hirscher sein Erfolgsgeheimnis selber nicht kennt. «Da war ein Fass, das ich aufmachen konnte, wenn ich wollte und wenn ich es unbedingt brauchte. Ganz ehrlich: Manchmal war ich mir selbst ein Rätsel, wie ich das alles geschafft habe.»
Besonders in Erinnerung bleiben ihm und seinen Fans nicht nur die Erfolge, sondern unter anderem auch ein ganz bestimmter Schreckmoment. Im Dezember 2015 fällt während seinem Slalom-Lauf in Madonna di Campiglio eine Drohne nur Zentimeter hinter ihm auf die Piste. «Wäre ich eine Zehntelsekunde langsamer gewesen, wäre ich wahrscheinlich schwer verletzt oder vielleicht sogar ausgeknipst worden. So viele Schutzengel werde ich hoffentlich nie wieder in meinem Leben brauchen», erinnert sich Hirscher daran.
«Das letzte Gold hatte einen sehr hohen Preis»
Noch weiter Einblick in sein Inneres gewährt er mit den Erinnerungen an seine beiden letzten Weltmeisterschaften. «Wenn's mich auf die Gosch'n haut, hör ich mit dem Skifahren auf. Das ist mein voller Ernst. Dann wars das!», hat er vor der WM-Kombination 2017 in St. Moritz gesagt. Beendet hat er das Rennen hinter Luca Aerni als Zweiter auf dem Podest und so seine Karriere um ein paar Kapitel verlängert.
Zwei Jahre später gewinnt er im schwedischen Are in seiner Paradedisziplin Slalom seinen letzten WM-Titel. «Das letzte Gold meiner Karriere hatte einen sehr hohen Preis. Noch einmal Weltmeister zu werden, das hab ich teuer bezahlt.»
Und diesen Preis wollte er kein weiteres Mal bezahlen. Deshalb hat sich Marcel Hirscher mit 30 Jahren entschieden, fortan das Leben als Ski-Rentner zu geniessen.