Lara Gut, vor sieben Jahren sind Sie in St. Moritz erstmals auf ein Weltcup-Podest gefahren. Wie haben Sie sich verändert seither?
Lara Gut: Ich kann die Sprachen besser, bin schneller geworden, falle nicht mehr so oft aus im Training. Ich komme mit dem ganzen Rummel besser zurecht.
Wie meinen Sie das?
Wenn ich schnell war, war es schon früher cool. Aber dann war ich nach der Pressekonferenz todmüde. Wenn es nicht lief, ärgerte ich mich, hinterfragte mich. Ich bin gelassener geworden, ich weiss, dass ich das Skifahren nicht von einem auf den anderen Tag verlerne.
Was würden Sie anders machen?
Ich würde am 29. September 2009 nicht Skifahren gehen, dann wäre meine Hüfte noch gesund.
Ist sie das denn nicht mehr?
Doch, doch. Ich bin schmerzfrei.
Hat Sie die Verletzung vorsichtiger gemacht?
Nein, vorsichtiger nicht. Bewusster. Ich weiss, dass ich alles machen kann, was ich in meinem Kopf habe, wenn ich richtig trainiert habe.
Trainieren Sie seit der Verletzung noch härter als zuvor?
Ja, aber nicht wegen der Verletzung, sondern weil mein Körper sich erst daran gewöhnen musste, richtig hart zu trainieren. Bis 20 ging es darum, meinen Körper zu bauen. Ich trainierte ein Jahr mit Schwerpunkt Schnelligkeit, dann Kraft, dann Ausdauer und so weiter.
Ein Masterplan. Ab wann haben Sie danach gelebt?
Als ich 15 war, stellten wir einen Fünfjahresplan auf. Das habe ich durchgezogen.
Fühlten Sie sich nie eingeengt?
Nein, ich fühlte mich nie wie ein Roboter. Ich wusste, was mir dieser Plan bringt. Und er würde auch vielen anderen jungen Athleten helfen.
Erklären Sie bitte!
Man müsste die Karrieren junger Athleten besser planen, die Sache professioneller angehen. Ich denke, so könnten viele Verletzungen verhindert werden.
Wie denn?
Viele Frauen beginnen im Alter von 16, 17 Jahren mit Gewichten zu spielen. Sie wollen dünner werden und trotzdem schnell fahren. Man muss wissen, was man will, akzeptieren, dass man keine Topmodel-Figur haben oder Skinny Jeans tragen kann, wenn man auf einer Abfahrt schnell sein will. Man muss nicht 100 Kilo schwer sein, aber man muss trainieren und baut so automatisch Muskeln auf.
Hätten Sie manchmal gerne dünnere Beine?
Die Frage stellt sich so nicht. Ich will Skifahrerin sein. Zudem komme ich ja immer noch in coole Jeans rein, habe Grösse 38.
Sie sind auch in Sachen Ernährung sehr diszipliniert.
Ein genauso wichtiges wie schwieriges Thema. Wir sind viel unterwegs, fahren zu einem Weltcuprennen und dann gibts am Abend Pommes frites und Schnitzel. Das geht überhaupt nicht. Für die Jungen ist es noch schwieriger, sie sind selten in so guten Hotels wie wir.
Sie reisen viel, aber doch immer wieder an die gleichen Orte. Langweilt Sie das nie?
Nein, ich fahre gerne Ski und wir fahren ja auf coolen Pisten – ausser in Lake Louise. Aber es ist sicher auch spannend, wenn mal etwas neu ist wie jetzt die neue Streckenführung in St. Moritz. Es gibt andere Dinge, die mich stören.
Was denn?
Dass wir nicht die gleiche Anzahl Rennen in allen Diszplinen fahren.
Weil es für Sie ein Nachteil ist?
Es geht immer um Punkte. Wenn wir nur acht Riesenslaloms fahren, aber zwölf Slaloms, dann haben die Riesen-Fahrerinnen einen Nachteil. Es kann auch für das Sponsoring relevant sein. Wenn man beispielsweise die Technikerinnen viel häufiger sieht als die Speedfahrerinnen.
Sie wollen irgendwann die grosse Kugel gewinnen. Fahren Sie bald wieder Slalom, um dort wichtige Punkte zu holen?
Ja, irgendwann bestimmt. Shiffrin will ja auch in allen Disziplinen fahren. Ob es ihr gelingt, weiss ich nicht. Tina, Anna und ich fahren alle die drei gleichen Diszplinen. Es kann nicht schaden, wenn man zusätzliche Punkte holen kann.
Fühlen Sie sich unter Druck jetzt vor dem Heimrennen, weil Sie noch nicht die gleich guten Resultate haben wie letzte Saison?
Wieso sollte ich? Ich bin gesund. Das ist das Wichtigste, wie Cortina und die Verletzung von Dominique Gisin wieder mal gezeigt haben. Ich hatte zwar letzte Saison zu diesem Zeitpunkt mehr Siege, aber ausser meinem Ausfall in Sölden habe ich diese Saison überall bessere Resultate eingefahren. So gesehen fehlen einzig die Siege von Beaver Creek (a.d.R. wo in anderthalb Wochen die Ski-WM beginnt).