Das exklusive Fallschirmsprung-Video von Beat Feuz gibts hier im Video!
Das Thermometer kratzt an diesem Sommertag im Berner Oberland die 30-Grad-Marke. Beat Feuz fühlt sich trotzdem eher wie im Januar vor dem Sprung über den Hundschopf. Mit einem Unterschied: «Wenn ich am Start der Lauberhornabfahrt stehe, bin ich selber der Löli. Jetzt bin ich zwar auch ein Löli, im Gegensatz zum Sprung über den Hundschopf werde ich aber beim bevorstehenden Absprung nicht der Herr über mich selber sein.»
Der Herr über dem Kugelblitz wird in diesem Fall Christian Zumbrunn sein. Der erfahrene Fallschirm-Tandem-Master will dem Abfahrts-Weltmeister den Wunsch von einem Absprung oberhalb des Eigers aus rund 4000 Metern erfüllen. Zumbrunn hat bis zu seinem 18. Lebensjahr selber auf einem ziemlich hohen Niveau Skirennen bestritten. Bei seinem letzten FIS-Slalom im April 2003 in St. Moritz waren auch die damals 17-jährigen Carlo Janka und Beat Feuz am Start. Zumbrunn landete damals auf dem 50. Platz, Feuz und Janka belegten die Ränge 23 und 30.
Feuz lässt seiner Freundin den Vortritt
Obwohl sich Zumbrunn in der Zwischenzeit zu einem erstklassigen Fallschirm-Springer entwickelt hat, wirkt auch er vor dem Sprung mit dem besten Abfahrer der Gegenwart nicht ganz so locker: «Ich bin mir zwar sicher, dass in der Luft alles gut geht. Aber bei der Landung muss ich diesmal ganz besonders aufpassen. Ich wäre ja der Depp der Nation, wenn sich Beat mit mir einen Fuss verknacksen und so für den Olympia-Winter ausfallen würde ...»
Gut, dass Feuz in diesem Moment seinen heiss geliebten Glücksbringer dabei hat Freundin Katrin Triendl will ebenfalls einen Tandem-Sprung wagen.
Und nach ein paar Trockenübungen wird es um 10.18 Uhr richtig ernst: Katrin und Beat steigen mit ihren Flugbegleitern verknüpft in den Helikopter. Beim Flug über die Lauberhorn-Piste kommen in Beat unterschiedliche Erinnerungen hoch. Feuz denkt ungern ans Jahr 2010 zurück, als er sich bei seinem Debüt auf der längsten Abfahrt der Welt ein paar giftige Worte von seinem Übungsleiter anhören musste: «Sepp Brunner hat mir damals wegen meiner mangelnden Fitness ordentlich die Leviten gelesen. Er setzte nach meiner schlechten Trainingsleistung ein grosses Fragezeichen hinter meinen Start im Rennen. Dank einem geglückten Auftritt in der verkürzten Kombi-Abfahrt hat er mich dann aber doch starten lassen. Zu Unrecht, ich bin gefühlt 54. von
56 Klassierten geworden.»
Wahrhaftig goldig sind dafür Beats Erinnerungen an den Winter 2012. «An diesem 14. Januar habe ich mit dem Sieg auf der 4,5 Kilometer langen Lauberhorn-Abfahrt alle Kritiker, die bis dahin behauptet haben, dass ich nicht für die langen Abfahrten gemacht sei, verstummen lassen. Und nach meiner Zielankunft herrschte um meine Person bis am nächsten Morgen durchgehend Ramba Zamba», schmunzelt Feuz und gibt zu, «dass ich aufgrund der Feierlichkeiten am Tag danach froh war, dass ich nicht auf die Skipiste musste. Ich hätte ganz sicher keinen anständigen Bogen zustande gebracht ...»
Auch jetzt fühlt sich Feuz nicht besonders wohl. Der Helikopter hat den Absprungpunkt rund 100 Meter oberhalb der Eiger-Nordwand erreicht. Beat lässt seiner Katrin den Vortritt. «Ich würde zuerst gerne zuschauen. Willst du vor mir springen?»
Feuz möchte gleich wieder springen
Die furchtlose Tirolerin nimmt den Vortritt mit einem breiten Grinsen wahr und stürzt geführt von ihrem Tandem-Master Beat Schweizer in die Tiefe. Und nach dem spektakulären Abflug seines Goldschatzes offenbart unser Abfahrtsheld: «Jetzt kribbelt es wirklich ziemlich heftig in meinem Magen.»
Dann geht alles ganz schnell: Nach einem kräftigen Schubser von Zumbrunn fliegt Beat mit einem Salto ins Nichts, bis der «Chrigel» nach rund 30 Sekunden den Fallschirm öffnet und nach rund sieben Minuten ohne «Fussverknackser» in Grindelwald landet. Feuz wirkt total beglückt: «Das war absolut genial! In den ersten paar Sekunden hatte ich zwar überhaupt keinen Plan, was mit mir passiert. Ich hatte keine Ahnung, was oben und was unten ist. Alles hat sich gedreht, ich bin nicht einmal zum Durchschnaufen gekommen! Aber Christian konnte den Flug schnell stabilisieren, und jetzt würde ich am liebsten gleich noch einmal mit dem Heli rauffliegen und hinunterspringen.»
Freundin Katrin hat nach ihrer Landung ähnliche Glücksgefühle. Sie drückt ihrem Beat ein dickes «Busserl» auf den Mund und fragt in breitestem Tirolerisch: «Schian wars! Was tua ma ois negschtes?» Feuz weiss unmittelbar nach diesem luftigen Erlebnis nur, was er ganz sicher nicht tun wird: «Ich werde nie im Leben in der Badi von einem Zehnmeter-Turm springen. Ich hasse es, wenn ich von dieser Höhe hinunterschaue und wegen des flachen Wassers nicht richtig einschätzen kann, wo es hingeht.» Deshalb freut sich unser Kugelblitz schon jetzt auf seinen nächsten Sprung über den Hundschopf – hier kennt er den schnellsten Weg bekanntlich ganz genau.